Der fliegende Gerichtsstand ist Gegenstand kontroverser Debatten. Insbesondere bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Internet muss sich tatsächlich die Frage gestellt werden, ob es sich um eine zeitgemäße und vor allen Dingen zweckmäßige Regelung handelt. Zu Beginn soll hier jedoch zunächst dargestellt werden, was unter einem „fliegenden Gerichtsstand“ überhaupt zu verstehen ist.
I. Der fliegende Gerichtsstand
Die Zivilprozessordnung (ZPO), sowie das Gerichtsverfahrensgesetz (GVG) enthalten Regelungen zur Zuständigkeit von Gerichten. Je nach Sachlage muss also entschieden werden, ob eine Klage vor dem Landgericht oder dem Amtsgericht erhoben werden kann. Sodann muss geschaut werden, an welchem Ort Klage erhoben werden kann. Diese beiden Fragen werden als sachliche und örtliche Zuständigkeit bezeichnet. In §32 ZPO findet sich nun eine Sonderregelung für unerlaubte Handlungen. Demnach ist das Gericht (örtlich) zuständig, in welchem die Handlung begangen worden ist. Darunter wird einerseits der Ort verstanden, wo die verursachende Handlung vorgenommen wurde (Handlungsort), andererseits der Ort wo der Erfolg der Handlung eintritt (Erfolgsort). Bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts findet dieser §32 ZPO nun Anwendung. Wird eine Person also beispielsweise durch eine ehrverletzende Äußerung durch eine Veröffentlichung in einer bundesweit vertriebenen Zeitung verletzt, so kann die betroffene Person an jedem Ort Klage erheben, an dem der Erfolg der Handlung eintritt. Dies wäre in dem gewählten Beispiel jeder Ort an dem die Zeitung vertrieben wird, BGH NJW 1977, 1590. Ob nun in München oder Hamburg, oder einem anderen deutschen Gericht geklagt wird, liegt in der Entscheidungsgewalt des Klägers. Hier ist somit ein fliegender Gerichtsstand gegeben. Dieser Zustand ist für den Kläger sicherlich günstig: Er wird sich ein Gericht aussuchen, welches möglicherweise eher zu seinen Gunsten entscheiden wird, als ein anderes. Eine gegenüber Betroffenen freundliche Rechtsprechung wird in der Praxis von den Pressekammern der Landgerichte Hamburg und Berlin erwartet.
II. Verletzungen im Internet
Werden nun Persönlichkeitsrechte durch Veröffentlichungen im Internet verletzt, so könnte angenommen werden, dass diese Grundsätze übertragen werden und dem Kläger ebenso ein Wahlrecht bezüglich des Klageortes verbleibt. Bei der Übertragung der freien Gerichtsstandswahl insbesondere auf Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Veröffentlichungen im Internet werden allerdings verschiedene Aspekte kritisiert. Kritikpunkte sind vor allen Dingen die Möglichkeit der Schikane durch den Kläger. Dieser kann sich für seine Klage beispielsweise ein möglichst weit vom Beklagten entferntes Gericht aussuchen, damit dieser eine möglichst weite Anfahrt hat. Auch wird kritisiert, dass die (verbotsfreudigen) Rechtsauffassungen einzelner Gerichte zu bundesweiter Geltung gelangen, da eine Klage in der Folge nur noch vor diesen Gerichten erhoben wird. Die Möglichkeit der Schikane des Beklagten durch die Wahl des Klageorts wurde durch die Rechtsprechung durch Einführung eines Missbrauchskriteriums ein Riegel vorgeschoben. Dennoch bleibt danach die grundsätzliche Möglichkeit des Klägers bestehen den Ort der Klage selbst zu bestimmen. Einige Gerichte haben nun in Entscheidungen der freien Gerichtsstandswahl bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet jedoch klare Grenzen gesetzt. Die Abrufbarkeit der Website führt demnach grundsätzlich zwar noch immer zur Zuständigkeit aller Gerichte in Deutschland, jedoch soll eine Zuständigkeit bei ausschließlich regionalem Bezug nicht gegeben sein, Landgericht Berlin, Urteil vom 7. April 2011, Aktenzeichen 27 S 20/10. Andere Gerichte hatten zuvor die Rechtssprechung des BGH zur internationalen Zuständigkeit übertragen wollen. Dieser nimmt eine Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Veröffentlichungen im Internet nur an, wenn ein deutlicher Inlandsbezug vorliegt, BGH v. 2.3.2010, VI ZR 23/09. Somit geht der Trend hin zu einer Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Internet. Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch, dass der fliegende Gerichtsstand für solche Verletzungen teilweise auch als positiv wahrgenommen wird. So wird vorgebracht, dass auf der Beklagtenseite regelmäßig ein Medienunternehmen mit finanzieller und wirtschaftlicher Kraft steht. Es handele sich um Lobbyarbeit der Medienunternehmen den fliegenden Gerichtsstand abschaffen zu wollen, Prinz, ZRP 7/2009. Allerdings erscheint fraglich, ob nicht bei Verletzungen im Internet gerade typischerweise kein Medienunternehmen mit finanzieller Kraft hinter einer Verletzenden Äußerung steht.
[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von unserem Gastautor Moritz Merzbach verfasst. Er ist Student der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und legte mit Erfolg die staatliche Pflichtfachprüfung ab. Im Rahmen des Schwerpunktbereichs “Wirtschaft und Wettbewerb” beschäftigt er sich mit dem gewerblichen Rechtsschutz, dem Urheberrecht und dem Regulierungsrecht. [/box]