Das „berechtigte Interesse“ im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG

Ein großer Bereich der Berufsfotografie beschäftigt sich mit der Darstellung von Personen, die in der Öffentlichkeit stehen. Besonders in diesem Bereich besteht die Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Einschlägig ist hierbei § 23 Kunsturhebergesetz (KUG), in dem geregelt ist, wann eine Veröffentlichung ohne Einwilligung der abgebildeten Person zulässig ist. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Begriff des „berechtigten Interesses“ in § 23 Abs. 2 KUG. Dieses Interesse ist jedoch zunächst durch Abwägung zwischen dem Interesse des Abgebildeten und dem Interesse der Öffentlichkeit an der Darstellung zu ermitteln. Fällt diese Abwägung zugunsten des Interesses der abgebildeten Person aus, ist die Veröffentlichung unzulässig.

Es handelt sich bei diesem Begriff jedoch um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nicht näher definiert ist und somit zwar Spielraum für eine flexible Auslegung gibt, aber gleichermaßen auch für Rechtsunsicherheit sorgt. In einer Vielzahl von Entscheidungen verschiedener Gerichte haben sich jedoch Fallgruppen herausgebildet, die zumindest einen Teil der möglichen Verletzungen aufzeigen.

Die Fallgruppen, die eine besonders hohe Relevanz für Berufs-, Amateur- und Hobbyfotografen haben, sollen in diesem Artikel näher erläutert werden.

Kommerzielle Nutzung/Werbung

Einen besonders großen Markt stellt die Werbefotografie dar, daher lauern in diesem Bereich auch die meisten Persönlichkeitsverletzungen bei Missachtung des „berechtigten Interesses“ der abgebildeten Personen. Die ständige Rechtsprechung hält die Abbildung einer Person zu Werbezwecken ohne deren Einwilligung für unzulässig.

So konnte beispielsweise Bob Dylan gegen die nicht genehmigte Abbildung auf dem Cover einer CD (BGH, Urteil v. 01.10.2006, VI ZR 206/95) und Boris Becker gegen die ebenfalls unberechtigte Darstellung in einem Werbeprospekt vorgehen (OLG München, Urteil v. 27.06.2003, 21 U 2518/03). Eine weitere Abbildung des letztgenannten auf einem Tennislehrbuch hielt das OLG Frankfurt wiederum für zulässig, da die Darstellung in einem sachbezogenem und redaktionellen Kontext stand (OLG Frankfurt, Urteil v. 21.01.1988, NJW 1989, 402ff.).

Es lässt sich daher erkennen, dass eine Abbildung von Personen mit zeitgeschichtlicher Bedeutung zu Werbezwecken ohne deren Einwilligung zwar grundsätzlich unzulässig ist, jedoch Ausnahmen möglich sind. Entscheidend ist, ob sich das Erzeugnis, auf dem sich die Abbildung der Person befindet, auch inhaltlich mit ihr befasst. Dies ist z.B. nicht der Fall wenn die Abbildung der prominenten Person lediglich als „Aufreißer“ genutzt und ihre Werbewirkung ausgenutzt wird (BGH, Urteil v. 11. März 2009 – I ZR 8/07).

Die genannten Entscheidungen beziehen sich zwar auf die Abbildung von Persönlichkeiten mit zeitgeschichtlicher Bedeutung, jedoch wird impliziert, dass ein ebenso starker, wenn nicht stärkerer Schutz selbstverständlich für Privatpersonen gilt.

Privats- und Intimsphäre

Eine weitere Fallgruppe die sich durch die Rechtsprechung herausgebildet hat, bezieht sich auf den Schutz der Privatsphäre der abgelichteten Personen. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus:

Im Unterschied zum Recht am eigenen Bild bezieht sich der Schutz der Privatsphäre, der ebenfalls im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt, nicht speziell auf Abbildungen, sondern ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist.

BVerfG, Urteil v. 15. Dezember 1999 – 1 BvR 653/96

Erkennbar ist, dass es nicht ausreicht, lediglich bestimmte Räumlichkeiten als Privatsphäre zu betrachten, sondern den Gesamtkontext der Darstellung zu betrachten. Dies bezieht sich nicht nur auf Privatpersonen, die unter anderem auch durch § 22 KUG vor der Veröffentlichung solcher Aufnahmen geschützt werden, sondern im Grundsatz auch für bekannte Persönlichkeiten. Hierzu wurden allerdings bereits einige Ausnahmen gemacht. So z.B. in zwei Entscheidungen des Kammergerichts Berlin bzgl. der Ablichtung Joschka Fischers auf dem Balkon und in einer Flughafenhalle, welche als zulässig erachtet wurden.

Ebenfalls wurde in der bereits genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass sich solche Personen, die ihren Privatbereich für die Öffentlichkeit öffnen, keinen Schutz nach § 23 KUG verlangen können.

Das Bundesverfassungsgericht hat meines Erachtens mit seiner Rechtsprechung den Schutz des Persönlichkeitsrechts stark erweitert und an den richtigen Stellen Ausnahmen zugelassen, so dass man durchaus von einer fairen Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten und Interesse der Öffentlichkeit sprechen kann.

Einen ebenfalls sehr großen Schutz erlangen diejenigen Personen, deren Intimsphäre durch die Veröffentlichung von Abbildungen verletzt ist. So fallen darunter Aufnahmen vom nackten Körper, aber auch, wie bereits erwähnt, die Darstellung von Krankheiten, Verletzungen oder Gesundheitsproblemen. In jedem dieser Fälle hat die abgebildete Person ein „berechtigtes Interesse“ an der Unterlassung. Dies gilt dem Landgericht Hamburg zufolge ebenso für die versehentliche Entblößung der Brust während einer Gala, solange nicht bereits vorher schon freiwillig Bilder selbiger veröffentlicht wurden. Insofern bedurfte die Klägerin dann keines Schutzes mehr.

Observationen/Paparazzi

In der Praxis weniger stark relevant, aber doch sehr interessant sind die Fälle in denen Abbildungen durch kontinuierliches Nachstellen bzw. durch Observation entstanden sind. So stellte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss fest:

Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, etwa der Frage, ob private Angelegenheiten ausgebreitet werden, die lediglich die Neugier befriedigen. Von Bedeutung sind, soweit die Bildberichterstattung betroffen ist, auch ihr Anlass sowie die Umstände, unter denen die Aufnahme entstanden ist.

BVerfG: Beschluss v. 26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07; 1 BvR 1606/07; 1 BvR 1626/07

Besondere Relevanz hatte dies bei Fotografien, die einen bekannten TV-Moderator in der Haftanstalt zeigen und durch eine dauerhafte Belagerung entstanden sind. Der Bundesgerichtshof hat in einem weiteren Urteil das „berechtigte Interesse“ eines bekannten TV-Moderators abgelehnt, da ein hohes öffentliches Interesse an der Darstellung gegeben sei (BGH, Urteil v. 24.06.2008, VI ZR 156/06). Diese Thematik dürfte aus aktuellem Anlass interessant sein, da auch Jörg Kachelmann, gegen Bilder die ihm beim Hofgang in der JVA Mannheim zeigen, vorgegangen ist (Pressemitteilung von RA Prof. Dr. Ralf Höcker, LL.M.). Das Landgericht Köln stimmte ihm insoweit zu und erließ eine Unterlassungsverfügung.

Es zeigt sich, dass es bei einem unbestimmten Rechtsbegriff, wie dem des „berechtigten Interesses“ auf die sich stetig weiter entwickelnde Rechtsprechung erheblich ankommt. Dies hinterlässt, trotz vieler Urteile und Fallgruppen, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben, eine gewisse Rechtsunsicherheit.

So werden weiterhin Situationen entstehen, die keinem bereits erlassenen Urteil zugeordnet werden können. Wichtig bleibt daher für die Praxis, stets zumindest den Versuch der Abwägung zwischen dem Interesse des Persönlichkeitsschutzes und dem Interesse der Öffentlichkeit zu unternehmen. Fällt diese Abwägung nicht eindeutig zugunsten der Allgemeinheit aus, so sollten Bilder nur mit Bedacht veröffentlicht werden, besser noch anwaltlicher Rat eingeholt werden.

Stets zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch ein mit dem Einverständnis der abgelichteten Person veröffentlichtes Foto Zahlungsansprüche auslösen kann, wenn man selbst nicht Urheber ist. So sind regelmäßig sowohl die Belange des Urhebers bzgl. des Rechts zur Veröffentlichung und Verbreitung und die Rechte der abgelichteten Person zu beachten.

Weiterführende Informationen:

(Foto: KONG / Quelle: photocase.com)

10 Gedanken zu „Das „berechtigte Interesse“ im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG“

  1. Hallo,

    so ganz klar ist mir das Thema „Veröffentlichung ohne Einwilligung“ immer noch nicht.

    Dürfen z.B. Sportfotos in einem Fotografie-Lehrbuch (Sachbuch) ohne Zustimmung der jeweils abgebildeten Sportler verwendet werden?
    Laut §23 handelt es sich doch um „Bildnisse der Zeitgeschichte“. Das Fotografieren bei der Veranstaltung war aufgrund einer Akkreditierung erlaubt.
    Es handelt sich nicht um einen Bildband, in dem die Bilder zum Zweck der reinen Präsentation veröffentlicht werden, sondern sie dienen als Ergänzung zum Text, und als optisches Beispiel für das Geschriebene. Ist das nicht eine redaktionelle Nutzung, genauso wie die Verwendung in einer Zeitschrift oder einem Magazin? Diese Medien erscheinen ebenfalls oft ehr viel später nach dem Ereignis, so daß es sich nicht um eine aktuelle Berichterstattung handelt.
    Abgesehen davon frage ich mich, wie sich das mit den Bildbänden und Dokumentationen verhält, die z.B. nach Olympischen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften erscheinen. Es kann mir niemand weiß machen, daß dort für alle Bilder die Einwilligung der Sportler eingeholt wurde.

    Viele Grüße
    Thomas

    Antworten
  2. Halo Thomas,

    bei Sportevents sind die Sportler wohl als Personen der Zeitgeschichte einzuordnen. D.h. diese können in der Regel ohne Einwilligung fotografiert und die Fotos veröffentlicht werden. Ausnahme wäre z.B. ein „berechtigtes Interesse“, wenn der Sportler durch das Bild (und beistehendem Text) verunglimpft werden soll und wird. Dafür sollte man sich jedes Bild nochmal anschauen :)
    Aufpassen muss man jedoch, wenn man mit einem Bild Werbung machen möchte – da muss man in der Regel für zahlen.

    Die „redaktionelle Nutzung“ die du ansprichst ist die Ausnahme für Funk und Presse, dass sie sich auf § 50 UrhG (Berichterstattung über Tagesereignisse) berufen kann. Da gelten noch weitere Besonderheiten aufgrund des übermäßigen öffentlichen Interesses an täglichen Informationen was in der Welt passiert. Das gilt auch noch bei monatlichen Ausgaben, nicht aber bei Jahresdokumentationen. Es kommt dann ganz stark darauf an, wie und über was alles in dem Magazin geschrieben ist.

    Ich hoffe damit konnte ich weiterhelfen.
    Im Zweifel und für den Einzelfall kannst und solltest du dich an einen Anwalt wenden.

    Antworten
  3. Eine Person fotografiert ohne dessen Wissen den Nachbarn und dessen Besucher und schickt die Bilder an die Polizei. In einem beiliegenden Schreiben werden Nachbar und fotografierte Person grundlos beschuldigt Straftaten begangen zu haben.

    Greift hier das Kunsturheberrechtsgesetz

    Antworten
    • Grundsätzlich dürfen nach § 24 KUG Bildnisse für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit von den Behörden Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden. In allen anderen Fällen kommt es dann auf die jeweilige Konstellation an ob dies geduldet werden muss.

      Antworten
  4. Die große Frage zu §23 KUG im Zusammengang mit der DSGVO in meinem Umfeld bezieht sich auf den besonderen Bereich der Straßenfotografie. Die Fotos werden offen für die fotografierte Person erkennbar und auch versteckt, also candid, aufgenommen und erlangen so auch einen besonderen künstlerischen Charme. Die Bilder werden bearbeitet oder unbearbeitet in Foren zB. Flickr hochgeladen und sind somit „verbreitet“ Die Strassenfotografie galt bisher durchaus auch für Amateure als Kunstform und dient dem künstlerischen Ausdruck des Fotografen – auch ohne kommerziellen Hintergrund.

    Ist das weiterhin mit der DSGVU vereinbar?

    Antworten
  5. Was ist mit Fotos, die bei einem Kulturevent gemacht wurden? Konkret geht es um Fotos, die 1995 während der Verhüllung des Reichstags erstellt wurden, sowohl von Gruppen als auch einzelnen Menschen. Das ist 25 Jahre her. Gibt es so etwas wie eine Verjährung?

    Antworten

Schreibe einen Kommentar