Leitsätze der Redaktion:
- Eine Vereinbarung von Änderungen folgt insbesondere nicht einem vereinbarten Verwendungszweck des Fotos für Wahlkampfwerbung auf Flyer und Plakaten. Denn Änderungsvereinbarungen stellen eine Einschränkung des Urheberpersönlichkeitsrechts dar und die Gestattung unbestimmter Änderungen ist insoweit nicht zulässig.
- Die Regelung des § 39 Abs. 2 UrhG stellt eine gesetzliche Änderungsbefugnis im Interesse des Nutzungsberechtigten dar, ist demnach keine eng auszulegende Urheberschutznorm, sondern Ausdruck des gegenseitigen vertraglichen Rücksichtnahmegebots zwischen Urheber und berechtigtem Werknutzer. Maßgeblich sind damit Rücksicht auf die Interessen und Beachtung der Verkehrssitte.
- Dem Grunde nach setzt ein Anspruch auf Geldentschädigung voraus, dass eine schwerwiegende Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts vorliegt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob ein schwerwiegender Eingriff vorliegt, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner vom Anlass und Beweggrund des Handelnden, den Grad seines Verschuldens sowie vom künstlerischen Rang des Verletzten und seines Werkes ab.
Ein solch schwerwiegender Eingriff liegt in der Regel vor, wenn die Aussage des Fotos ist verändert wird.
LG Hamburg
Urteil
Aktenzeichen: 308 O 460/06
Verkündet am: 05.01.2007
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 25.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.03.2006 zu zahlen.
II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Nebenintervenientin trägt ihre Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens Euro 25.000,00 für Veränderungen an einer von ihm aufgenommenen Fotografie des ehemaligen Bundeskanzlers G. S..
Der Kläger ist Fotograf und vor allem für seine Portraitfotos von Kanzlern der Bundesrepublik bekannt. Den ehemaligen Kanzler G. S. hatte er bereits für dessen Landtagswahlkämpfe in Niedersachsen und den Bundestagswahlkampf 1998 fotografiert. Streitgegenständlich ist die Bearbeitung des nachfolgend dargestellten Fotos, welches der Kläger im Auftrag der Beklagten zur Verwendung auf Wahlplakaten, Flyern und sonstigen Wahlwerbemitteln der Nebenintervenientin für die Bundestagswahl 2002 erstellt hat.
An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht wiedergegeben werden kann.
Die Beklagte verwandte das Foto wie nachfolgend links abgebildet bundesweit auf Flyern und wie nachfolgend rechts auszugsweise abgebildet bundesweit auf Plakaten.
An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht wiedergegeben werden kann.
Dass das Bildnis G. S.s zu diesen Zwecken vor den hellen Hintergrund der Reichstagskuppel platziert wurde, war mit dem Kläger abgesprochen.
Der Kläger sieht in anderen von der Beklagten vorgenommenen mit ihm nicht abgestimmten Änderungen eine Entstellung seiner fotografischen Leistung.
Der Kläger macht geltend, kennzeichnend für seine Fotografie sei der vermittelte Eindruck von Natürlichkeit und Kraft, der gerade durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten sowie den Verzicht auf jegliche nachträgliche Bearbeitung des Fotos erreicht werde. Nur durch diese Gestaltung seien die Gesichtszüge von G. S. besonders charakteristisch hervorgehoben worden. Dafür sei er, der Kläger, bekannt und dafür werde er geschätzt.
Nach Auffassung des Klägers ist dieser Eindruck seines Fotos durch ohne nachvollziehbaren Anlass vorgenommene Änderungen der Beklagten zerstört worden. Der Kragen des Sakkos sei hochgezogen worden, das linke Ohr oben sei beschnitten worden, die Haare über beiden Ohren seien gekürzt worden, die Gesichtsfarbe sei unnatürlich aufgehellt und Falten im Gesicht seien retuschiert worden, das Gesicht auf dem Flyer sei schmaler und die Krawatte auf dem Plakat sei gespiegelt worden. Durch das Hochziehen des Kragens sehe es so aus, als „hänge“ der Kopf im Anzug. G. S. wirke unter Einbeziehung der anderen Änderungen wie ein Mensch, der unfähig sei, auf sein Äußeres zu achten. Der Kopf scheine – auf dem Werbeplakat – durch die Spiegelung der Krawatte nach rechts zu kippen. Auf dem Flyer sei das Gesicht des Herrn G. S. schmaler als auf dem Originalfoto, so dass dieser schmal und „ausgemergelt“ wirke. Das Gesicht wirke „aschfahl“, so als sei Herr G. S. krank. Dies werde dadurch verstärkt, dass Falten im Gesicht wegretuschiert worden seien. Insgesamt wirke das Bild aufgrund der Änderungen „künstlicher“.
Als er, der Kläger, den Plakatentwurf am 27.08.2002 zugeschickt bekommen habe, habe er umgehend schriftlich (Anlage K 6) sein Entsetzen zum Ausdruck gebracht. Sein Ruf habe durch die umfassende bundesweite Verbreitung des geänderten Fotos im Wahlkampf Schaden genommen. Auch G. S. habe ungehalten über das manipulierte Foto reagiert. Bereits 1971 sei für eine Entstellung einer Fotografie eine Geldentschädigung von 5.200,00 DM gewährt worden (BGH GRUR 1971, 525 „Petite Jacqueline“). Angesichts der mittlerweile eingetretenen Geldentwertung sowie seines, des Klägers, überragenden Rufs und der schwerwiegenden Folgen, die ihm aufgrund des Verhaltens der Beklagten entstanden seien, sei deshalb auch der zehnfache Betrag gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Geldentschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die mindestens jedoch Euro 25.000,00 nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit betragen soll.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Die Beklagte hält den geltend gemachten Anspruch für unbegründet. Sie trägt vor, Veränderungen an dem Foto seien auf ausdrücklichen Wunsch bzw. Weisung der Nebenintervenientin durchgeführt worden. Das streitgegenständliche Foto sei unter schlechten Lichtverhältnissen erstellt worden und habe daher einen sehr dunklen und düsteren Eindruck gemacht. Aufgrund der geringen Zeit, die der damalige Bundeskanzler für die Fotos aufzuwenden bereit gewesen sei, sei es nicht mehr möglich gewesen, weitere Fotos durch den Kläger herstellen zu lassen. Die Nebenintervenientin habe daher darauf bestanden, kleinere Anpassungen des Fotos an den geplanten Hintergrund vorzunehmen. Insbesondere sei daher die Gesichtsfarbe ein wenig aufgehellt und dem lichtdurchfluteten Hintergrund angepasst worden. Auch die Krawatte sei „gespiegelt“ worden. Weitere Veränderungen seien nach dem Kenntnisstand der Beklagten seinerzeit nicht vorgenommen worden. Herr G. S. habe die „Retuschierungen“ selber freigegeben.
Das Foto des Klägers sei durch die Veränderungen nicht verzerrt oder verfälscht worden. Vielmehr habe sich der Kläger selbst dazu entschieden, sein Betätigungsfeld im konkreten Fall von einer künstlerischen Portraitfotografie in die „Werbefotografie“ zu verlegen. Dem Kläger sei von Beginn an die Verwendung der Fotografie bekannt gewesen. Ihm sei klar gewesen, dass das von ihm gefertigte Foto nicht 1:1, insbesondere mit einem schwarzen Hintergrund, als Art „Passfoto“ auf ein mehrere Quadratmeter großes Werbeplakat übernommen oder als solches gedruckt werden sollte, sondern dass es, wie später geschehen, vor die Glaskuppel des Reichstags „montiert“ werden sollte. Ihm sei weiter klar gewesen, dass schon wegen der Anpassung an den Hintergrund eine Bearbeitung erforderlich gewesen sei. Die Aussage des Fotos sei nicht verändert worden.
Nach Auffassung der Nebenintervenientin sind die Veränderungen marginal und stellen bereits keine „Bearbeitung“ im Sinne des UrhG dar. Selbst wenn es sich um Bearbeitungen handeln sollte, wären aber nicht die Voraussetzungen für einen immateriellen Schadensersatzanspruch gegeben, da der Kläger gewusst habe, dass Veränderungen erforderlich sein würden. Es sei aber – anders als von der Beklagten vorgetragen – nicht so gewesen, dass Veränderungen auf Weisung der Streitverkündeten erfolgt seien. Es habe vielmehr der Beklagten oblegen, Gestaltungsvorschläge und Ausarbeitungen zu unterbreiten.
Dem Rechtstreit ist ein Mahnverfahren vor dem Amtsgericht Euskirchen vorausgegangen. Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides war am 14.02.2006 bei Gericht eingegangen, am 14.03.2006 wurde der Mahnbescheid erlassen und am 17.03.2006 zugestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG zu. Denn die Beklagte hat durch die vorgenommenen Veränderungen des als Lichtbildwerk einzuordnenden Fotos des Kläger und die Verbreitung des veränderten Werks das Urheberpersönlichkeitsrecht des Klägers schuldhaft so schwerwiegend verletzt, dass eine Geldentschädigung in Höhe von Euro 25.000,00 der Billigkeit entspricht. Der Anspruch ist nicht verjährt.
I. Bei der streitgegenständlichen Fotografie handelt es sich um ein Lichtbildwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG.
1. Als Lichtbildwerke sind Lichtbilder geschützt, bei denen der Fotograf durch den gezielten Einsatz eines oder mehrerer Gestaltungsmittel der Fotografie das Bildresultat in einer Weise beeinflusst und prägt, dass eine persönliche und geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 vorliegt (BGH GRUR 2000, 317, 318 – Werbefotos). Als wesentliche Gestaltungsmittel der Fotografie stehen dabei die Auswahl eines bestimmten Ausschnitts, die Entscheidung über die Brennweite des Aufnahmeobjektivs, die Perspektive, die Entscheidung über die Schärfentiefe durch Wahl einer Blende, die Wahl des Aufnahmeformates, das die Bildauflösung bestimmt, sowie die Auswahl bestimmter Aufnahmematerialien, die den Bildeindruck maßgeblich prägen, zur Verfügung (Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 2 Rn 117). Dabei bedarf es keines besonderen Maßes an schöpferischer Gestaltung. Vielmehr gilt für die Schutzanforderungen der Maßstab des Art. 6 der EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts vom 29.10.1993 (ABL. EG Nr. L 290), so dass jedenfalls nach deren Umsetzung in nationales Recht am 01.07.1995 (BGBl. 1995 I, 910) nur noch geringe Anforderungen an die Schutzfähigkeit zu stellen sind.
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das von dem Kläger gefertigte Portraitfoto ein Lichtbildwerk.
Das Foto offenbart, dass sich der Fotograf bei der Wahl des Formats, dem Abstand des Abgebildeten von der Kamera und dem Zusammenspiel von Licht und Schatten auseinandergesetzt hat. Beim Format wird das Gesicht des Abgebildeten vor einem dunklen Hintergrund in den Mittelpunkt gestellt und auch der Oberkörper nur angedeutet. Farblich auffallend sind neben dem Gesicht nur das weiße Hemd und der Schlips. Im dominierenden Gesicht werden die markanten Gesichtszüge durch die Ausleuchtung und die Verteilung von Licht und Schatten hervorgehoben und besonders betont. Insgesamt wird mit den Gestaltungsmitteln der Fotografie das authentische und natürliche wirkende Bild eines im Leben stehenden souveränen und gepflegt auftretenden tatkräftigen Mannes vermittelt.
II. Das Ergebnis der von der Beklagten vorgenommenen Änderungen an dem Lichtbild verletzt widerrechtlich das Urheberpersönlichkeitsrecht des Klägers.
Bei der Bewertung bleibt außer Betracht, dass die Beklagte den dunklen Hintergrund durch den hellen Hintergrund mit der Reichstagskuppel ersetzt hat. Damit verliert die Aussage des Originals zwar bereits an Wirkung; unstreitig ist der Kläger aber damit einverstanden gewesen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Nebenintervenientin sind die weiter vorgenommenen Veränderungen aber nicht lediglich marginal und auch nicht vom Kläger gemäß § 39 Abs. 2 UrhG nach Treu und Glauben hinzunehmen.
1. Die vom Kläger dargestellten weiteren Veränderungen folgen aus einem optischen Vergleich.
Danach sind die Haare über beiden Ohren gekürzt worden, und zwar so, dass die Ohren seitlich überstehen, während sie beim Original jedenfalls beim linken Ohr aufliegen. Die Einkürzung der Haare ist auf der linken Kopfseite stärker vorgenommen worden, so dass das Haar auf dieser Seite schmaler erkennbar ist als auf der rechten Seite. Das verändert die Proportionen.
Das linke Ohr ist oben beschnitten und bearbeitet worden. Es wirkt jetzt leicht abstehend und scheint tiefer zu hängen als das rechte Ohr. Im Zusammenhang mit der Haareinkürzung verstärkt sich die Veränderung der Proportionen.
Die Gesichtsfarbe ist aufgehellt worden, wobei sie bei dem Plakat eher ins rötliche geht und auf dem Flyer gelblich blässlich wirkt. Die natürliche Gesichtsfarbe des Originals findet sich nicht wieder.
Die Falten im Gesicht sind nicht so deutlich wie im Original erkennbar. Auch dadurch ist Natürlichkeit des Originals verloren gegangen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Folge einer Retuschierung ist oder Folge der Aufhellung der Gesichtsfarbe.
Der Kragen des Jacketts ist so aus dem Original ausgeschnitten worden, dass der Eindruck vermittelt wird, als „hänge“ der Kopf im Anzug. Der Eindruck einer strafferen Gesamthaltung des Originals geht dadurch verloren. Zwar ist der Kragenansatz im Original vor dem dunklen Hintergrund nur schwer erkennbar; gleichwohl hätte die straffe Haltung beim Ausschneiden gewahrt werden müssen.
Das Gesicht auf dem Flyer ist schmaler als auf dem Original. Im Zusammenhang mit den anderen dargestellten Veränderungen teilt das Gericht die Auffassung des Klägers, dass auf dem Flyer wenig von der Natürlichkeit und dem Aussagegehalt des Originals verblieben ist und G. S. eher fahl und jedenfalls nicht vergleichbar tatkräftig wirkt.
Auf dem Plakat ist die Gesichtsfarbe zwar nicht so stark nachteilig verändert worden wie auf dem Flyer, der Gesamteindruck ist jedoch kein anderer. Hinzu kommt, dass auf dem Plakat die Krawatte gespiegelt worden ist. Das verändert die Proportionen und der Kopf scheint dadurch leicht nach rechts zu hängen.
Das authentische und natürlich wirkende Bild eines im Leben stehenden souveränen und gepflegt auftretenden tatkräftigen Mannes, wie es das Original vermittelt, ist durch die dargestellten Änderungen weitgehend verloren gegangen.
II. Diese Veränderungen des klägerischen Fotos sind widerrechtlich. Die Änderungen sind nicht vereinbart – § 39 Abs. 1 UrhG – und der Kläger ist auch nach Treu und Glauben – § 39 Abs. 2 UrhG – nicht gehalten, seine Einwilligung zu den Änderungen zu erteilen.
a) Die Änderungen sind nicht vereinbart im Sinne des § 39 Abs. 1 UrhG. Eine Vereinbarung solcher Änderungen folgt insbesondere nicht aus dem vereinbarten Verwendungszweck des klägerischen Fotos für die Wahlkampfwerbung auf Flyer und Plakaten. Denn Änderungsvereinbarungen stellen eine Einschränkung des Urheberpersönlichkeitsrechts dar und die Gestattung unbestimmter Änderungen ist insoweit nicht zulässig.
b) Eine Änderungsbefugnis ergibt sich hier auch nicht aus § 39 Abs. 2 UrhG. Denn der Kläger ist nach Treu und Glauben nicht gehalten, seine Einwilligung zu den Änderungen zu erteilen.
aa) Die Regelung des § 39 Abs. 2 UrhG stellt eine gesetzliche Änderungsbefugnis im Interesse des Nutzungsberechtigten dar, ist demnach keine eng auszulegende Urheberschutznorm, sondern Ausdruck des gegenseitigen vertraglichen Rücksichtnahmegebots zwischen Urheber und berechtigtem Werknutzer (Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, § 39 Rn 20). Sowohl Urheber als auch Werknutzer haben daher Rücksicht auf die Interessen des anderen zu nehmen unter Beachtung der Verkehrssitte. Die Interessenabwägung kann je nach der Bedeutung des Werks und dem vertraglich eingeräumten Verwertungszweck zu einem engeren oder weiteren Spielraum des Nutzungsberechtigten bei Werkänderungen führen. Je geringer das Maß der schöpferischen Gestaltung anzusehen ist, desto eher sind auch Änderungen zulässig. Umgekehrt können Werke von hoher künstlerischer Individualität und Formgebung dazu führen, dass der Urheber selbst geringe Änderungen nicht hinnehmen muss Wandtke/Grunert a.a.O. Rn 24).
bb) Bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung muss der Kläger die Änderungen nicht hinnehmen. Der Beklagten ist zwar das Recht zur Bearbeitung des Fotos zuzugestehen, soweit das für die Umsetzung einer Nutzung für die Flyer und Plakatwerbung notwendig gewesen ist. Hier hat die Beklagte aber nicht einmal ansatzweise die Notwendigkeit auch nur einer der Änderungen dargelegt.
Der einzige konkrete von der Beklagten genannte Grund, der eine nachvollziehbare Änderung tragen könnte, ist der, dass die dem Kläger bekannte Platzierung des Portraits vor dem hellen Hintergrund der Reichstagskuppel eine Aufhellung der Gesichtsfarbe hätte erforderlich machen können. Weshalb dann aber für den Flyer eine unnatürlich gelblich blässliche und für das Plakat eine ebenso unnatürlich ins rötliche gehende Farbe gewählt wurde, erschließt sich nicht.
Für alle anderen Änderungen hat die Beklagte keinen nachvollziehbaren Grund dargetan. Sie hätte sich insoweit nur darauf berufen können, das der vereinbarte Nutzungszweck, die Verwendung des Fotos auf einem Plakat und einem Flyer, solche Änderungen geboten hätte. Bezüglich der Faltenretuschierung kann vermutet werden, dass das im Zusammenhang mit der Gesichtsaufhellung geschehen ist; erläuternder Vortrag fehlt. Es fehlt weiter jeder Vortrag dazu, weshalb der Zweck es gebot, Haare und Ohr wie dargestellt zu beschneiden und den Kragen des Jacketts so aus dem Original auszuschneiden, dass der Eindruck vermittelt wird, als „hänge“ der Kopf im Anzug. Schließlich ist nicht erklärt worden, weshalb der Kopf auf dem Flyer deshalb schmaler gemacht und die Krawatte auf dem Plakat gespiegelt werden musste.
Da die Beklagte demnach selbst keine Gründe für die konkret gewählten unnatürlichen Gesichtsfarben und keine sich aus dem vereinbarten Nutzungszweck ergebenden Gründe für die Änderungen dargetan hat, ist auch kein Interesse von ihrer Seite erkennbar, welches gegenüber dem zugunsten des Klägers geltendem Änderungsverbot hätte abgewogen werden können.
Die einzig nachvollziehbaren Gründe sind, dass, wie die Beklagte selbst vorträgt, das Foto des Klägers für den konkreten Verwendungszweck nicht gut geeignet war und G. S. aus Zeitdruck für weitere Fotos nicht zur Verfügung stand. Das kann aber nicht zu Lasten des Klägers gehen und rechtfertig mangels Darlegung von deren Notwendigkeit keine der festgestellten Änderungen.
c) Damit liegt eine widerrechtliche Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts des Klägers vor. Unerheblich ist, ob die Beklagte die Änderungen möglicherweise auf Anweisung der Nebenintervenientin vorgenommen hat, wie sie geltend macht. Denn das ist für ihr eigenes widerrechtliches Handeln ohne Belang.
III. Die Beklagte handelte schuldhaft in Form der groben Fahrlässigkeit. Sie hat die Änderungen nur pauschal als durch den vereinbarten Zweck veranlasst begründet und ist nicht in der Lage gewesen, auch nur bei einer der beanstandeten Änderungen konkret darzulegen, weshalb dieser Zweck diese Änderung erforderlich gemacht haben soll. Damit hat sich die Beklagte nach eigener Darstellung allein aufgrund des vereinbarten Nutzungszwecks offenbar unreflektiert und leichtfertig das Recht zu allen Änderungen angemaßt und jedenfalls beim Ausschneiden des Portraits aus dem dunklen Hintergrund des Originals im Bereich der Haare, des linken Ohrs und des Kragens auch handwerklich schlecht gearbeitet. Auch hier ist es unerheblich, ob die Beklagte die Änderungen möglicherweise auf Anweisung der Nebenintervenientin vorgenommen hat.
IV. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beklagte dem Kläger für die Verletzung seines Urheberpersönlichkeitsrechts eine Entschädigung in Geld in Höhe von Euro 25.000,00 zahlt.
1. Dem Grunde nach setzt ein Anspruch auf eine solche Geldentschädigung voraus, dass eine schwerwiegende Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts vorliegt (BGH GRUR 1971, 525, 526 – Petite Jacqueline) und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (BGH GRUR 1970, 370, 372 f. – Nachtigall; BGH NJW 1995, 861, 864 – C. v. M.). Ob ein schwerwiegender Eingriff vorliegt, der die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner vom Anlass und Beweggrund des Handelnden, den Grad seines Verschuldens (BGH NJW 1995, 861, 864 – C. v. M.) sowie vom künstlerischen Rang des Verletzten und seines Werkes ab (BGH GRUR 1971, 525, 526 – Petite Jacqueline).
2. Hier liegt ein solcher schwerwiegender Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht des Klägers vor.
Die Beeinträchtigung wirkt schwer. Der Kläger hat, wie ausgeführt, ein Portraitfoto gefertigt, welches ein authentisch und natürlich wirkendes Bild eines im Leben stehenden souveränen und gepflegt auftretenden tatkräftigen Mannes vermittelt. Diese Aussage des Fotos ist, wie ebenfalls ausgeführt, durch die dargestellten Änderungen weitgehend verloren gegangen. Die rechtsverletzende Bearbeitung hatte durch die bundesweite Nutzung auf Flyern und Plakaten einen hohen Verbreitungsgrad.
Mit der Herstellung und Nutzung der rechtsverletzenden Bearbeitung hat die Beklagte, wie ausgeführt, unter grob fahrlässiger Anmaßung einer Berechtigung zu einer solchen Bearbeitung die Entschließungsfreiheit des Klägers als Portraitfotograf von hohem Rang missachtet.
An der Einordnung als schwerwiegender Eingriff ändert auch der Umstand nichts, dass trotz des hohen Verbreitungsgrads die Folgen für die Interessen und den Ruf des Klägers von der Kammer als nicht so gravierend eingeschätzt werden. Denn solche Portraitfotos auf den Flyern und Wahlplakaten dürften nach Auffassung der Kammer zum Einen im Regelfall keiner besonders aufmerksamen Betrachtung unterzogen werden und zum anderen dürfte das bearbeitet Foto nur von wenigen Personen dem Kläger zugeordnet worden sein. Wer allerdings zu informierten Kreisen gehörte und das Foto dem Kläger zuordnete, wird es als wenig gelungene Fotografie angesehen haben. Und gerade das dürften Personen sein, die den Kläger kennen und bei denen er auch einen Ruf hat.
Zusammenfassend bleibt es daher bei einem schwerwiegenden Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht des Klägers.
3. Zur Beseitigung der durch den schwerwiegenden Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht erfolgten Beeinträchtigung erscheint es billig, dem Kläger eine Geldentschädigung zuzugestehen.
Die Kammer verkennt nicht, dass die Rechtsprechung bei der Zubilligung einer solchen Geldentschädigung eher zurückhaltend verfährt (z.B. OLG Hamburg GRUR 1990, 36 – Schmerzensgeld), während die Literatur für mehr Schutz der Urheber und Künstler und der Anerkennung einer Billigkeitsentschädigung plädiert und eine Billigkeitsentschädigung bei einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten als Regelfall angesehen haben möchte (Wilhelm Nordemann, GRUR 1980, 434; ebenso Dreier/Schulze, UrhG, 2. Auflage, § 97 Rn 75). Nach Auffassung der Kammer sollte der Maßstab nicht zu streng angesetzt werden. Eine Entschädigung sollte danach bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts der Regelfall sein, gleiches gilt, unabhängig vom Verschuldensgrad, bei einer Entstellung eines Werks oder einer Leistung. Bei anderen fahrlässigen Verstößen wird auf den Einzelfall abzustellen sein, insbesondere auf die Auswirkungen für den Rechtsinhaber.
Davon ausgehend ist dem Kläger vorliegend wegen der grob fahrlässigen Anmaßung einer Berechtigung zu der verletzenden Bearbeitung unter Missachtung der Entschließungsfreiheit des Klägers und des hohen Verbreitungsgrades der verletzenden Bearbeitung eine Entschädigung in Geld zuzubilligen.
4. Der Höhe nach ist die Entschädigung mit Euro 25.000,00 zu bemessen.
Die Kriterien für die Bemessung der Entschädigung sind dieselben, wie sie zuvor und den Ziffer IV. 2. und 3. aufgeführt sind. Bei der Umsetzung dieser Kriterien in einen Geldbetrag wird teilweise das übliche Nutzungsentgelt zugrunde gelegt und pauschale Aufschläge von bis zu 100 % zum üblichen Nutzungsentgelt zuerkannt (OLG Frankfurt GRUR 1989, 203 – Wüstenflug; vgl. v. Wolff in Wandtke/Bullinger § 97 Rn. 73). Dem Ansatz folgt die Kammer. Denn das übliche Nutzungsentgelt ist geldwerter Ausdruck des Rufs und des Marktwerts des Fotografen. Hier ist nicht dargetan worden, welches Nutzungsentgelt für das streitgegenständliche Foto vereinbart worden ist. Der Kläger hat jedoch unwidersprochen dargetan, im Jahre 2003 für ein Foto des damaligen Spitzenkandidaten der SPD der Landtagswahl in Niedersachsen zur Nutzung für die Plakatwerbung Euro 20.000,00 netto erhalten zu haben. Das lässt sich auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen, wobei eine hier eine bundesweite Nutzung für Plakate und Flyer, mithin eine höherwertige Nutzung vorliegt, die mit Euro 25.000,00 nicht zu hoch bewertet worden sein dürfte. In Anbetracht der dargestellten Beeinträchtigungen erachtet die Kammer auch hier einen entsprechenden Betrag als angemessen für die Billigkeitsentschädigung.
V. Der Zinsanspruch folgt aus den Regelungen der §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
VI. Der Anspruch ist nicht verjährt.
Der Anspruch unterliegt gemäß § 102 UrhG der Regelverjährung des § 195 BGB von 3 Jahren. Die Verjährungsfrist begann nach Kenntniserlangung des Klägers von der Verletzung im Jahre 2002 gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2002 und wäre mit dem Schluss des Jahres 2005 abgelaufen gewesen. Hinzuzurechnen sind allerdings 51 Tage wegen einer Hemmung für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis 20.08.2004 aufgrund von Verhandlungen der Parteien im Sinne des § 203 BGB. Die Verjährungsfrist lief damit bis zum 21.02.2006. Sie war zu dem Zeitpunkt aber bereits gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB erneut gehemmt, weil am 17.03.2006 der Mahnbescheid in dieser Sache zugestellt wurde, wobei die Zustellung gemäß § 167 ZPO auf den Tag der Einreichung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheides am 14.02.2006 zurückwirkte.
Der Zeitraum der Hemmung vom 01.07.2004 bis 20.08.2004 ergibt sich aus folgendem: Die Verhandlungen begannen mit dem Schreiben der Klägervertreter vom 01.07.2004, in dem der Kläger den streitgegenständlichen und einen anderen Anspruch geltend machte. Mit Antwortschreiben der Beklagtenvertreter vom 08.07.2004 wurde der Anspruch im ersten Absatz zwar zurückgewiesen, im letzten Absatz wurde es allerdings für sinnvoll erachtet, die Angelegenheit nochmals ausführlich telefonisch zu erörtern. Aus der maßgeblichen Sicht des Klägers durfte sein Anspruch damit keinesfalls als endgültig abgelehnt angesehen werden, sondern durchaus als Angebot für weitere Verhandlungen. Auch in einem weiteren Schreiben der Beklagtenvertreter vom 12.07.2004 wurde ein Telefonat für „sinnvoll“ erachtet. Am 21.07.2004 kam es zu einem Telefonat der Parteivertreter über eine einvernehmliche Beilegung der Streitigkeiten. Mit Schreiben dieses Datums fasste der Beklagtenvertreter schriftlich die Position der Beklagten zusammen und erbat eine Rückantwort. Mit Schreiben vom 18.08.2004 machten die Klägervertreter ihrerseits einen neuen Vorschlag. Diesen Vorschlag lehnten die Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 19.08.2004, welches am 20.08.2004 bei den Klägervertretern einging, ohne Unterbreitung eines weiteren eigenen Vorschlages ab. Damit endeten die Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB.
V. Die Nebenentscheidungen folgen aus den Regelungen der §§ 91 Abs. 1, 101, 709 ZPO.