BGH zur Reichweite des Unterlassungsgebots

Wie weit reicht ein Unterlassungsgebot und wann ist eine kerngleiche Handlung anzunehmen? Mit dieser Frage hatte sich der BGH angesichts eines urheberrechtlichen Sachverhalts zu beschäftigen.

Schuldhafter Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtung erforderlich

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass eine Vertragsstrafe nur dann verhängt werden kann, wenn derjenige gegen den das Unterlassungsgebot ausgesprochen wurde auch schuldhaft gegen dieses Gebot verst0ßen hat. Bei einer reinen Wiederholung der zu unterlassenden Handlung ist der Fall eindeutig. Es können aber auch Handlungen von dem Unterlassungsgebot erfasst sein, die zwar keine identische, jedoch eine „kerngleiche“ Handlung darstellen.

Rezepte und Bilder kostenlos zum Abruf

Der Kläger betreibt zusammen mit seiner Ehefrau eine Internetseite auf welcher sie selbsterstellte Rezepte und Bilder kostenlos zum Abruf anbieten. Die Beklagte bietet ebenfalls eine kostenlose Rezeptsammlung auf ihrer Internetseite an. Diese Rezepte stammen vorwiegend von Privatpersonen, welche eigene Rezepte dort hochladen und veröffentlichen können.

Verurteilung zur Unterlassung

Nachdem Dritte Rezepttexte und Bilder des Klägers unerlaubterweise auf der Internetseite der Beklagten hochgeladen und veröffentlicht hatten, wurde diese daraufhin unter Androhung von Ordnungsmitteln dazu verurteilt,

„es zu unterlassen, die vom Gläubiger erstellten und unter „www.m…de“ abrufbaren Fotografien und/oder Teile davon ohne Erlaubnis öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere auf der unter „www.c…de“ abrufbaren Seite zur Schau zu stellen und/oder durch das Aufspielen oder Aufspielenlassen der Inhalte auf andere Server oder Speichermedien Dritter zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen.“ 

Zurückweisung des Ordnungsgeldantrags

Anschließend hat die Beklagte erneut zwei Rezepte mit Bildern des Klägers auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Dabei handelte es sich um die Rezepte „Malaga-Eis“ und „Körner-Buttermilch-Brot“. Der Kläger beantragte die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, da seiner Meinung nach gegen den Unterlassungsantrag verstoßen wurde. Das Landgericht wies den Antrag jedoch mit der Begründung zurück, dass das Unterlassungsgebot lediglich auf die damals beanstandeten Lichtbilder „Schinkenkrustenbraten“, „Amerikaner“ und „Sigara Börek mit Hack“ beschränkt sei. In der Begründung wurde ausgeführt:

„Unterschiedliche Lichtbilder charakterisieren selbst bei gleichartiger rechtsverletzender Verwendung die jeweilige Verletzungshandlung, weil sie abweichende Schutzgegenstände darstellen.“

BGH weist Beschwerde zurück

Der BGH wies die Beschwerde des Klägers ebenfalls zurück (BGH, Beschluss vom 03.04.2014, Az.: I ZB 42/11). Zum Verständnis der Begründung soll kurz auf die sog. „Kerntheorie“ eingegangen werden. Diese besagt im Wesentlichen:

„Die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts kann die Verhängung eines Ordnungsmittels für kerngleiche Verletzungen anderer Schutzrechte rechtfertigen, wenn die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisverfahren und die Verurteilung einbezogen sind (BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 – I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 – Restwertbörse II).“

Das heißt: Das Verbot in einem Unterlassungstitel erfasst nicht nur identische Handlungen. Vielmehr muss lediglich das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommen, was auch im Kern gleichartige Handlungen erfasst.

Außerdem muss die verbotene Handlung auch Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gewesen sein:

„Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung und die Reichweite des Vollstreckungstitels maßgeblich ist, ist auf die Schutzrechte beschränkt, die Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen sind“ (Restwertbörse II, s.o.).

Fehlende kerngleiche Handlung

Der BGH sah in diesem Fall keine kerngleiche Handlung, da es sich um andere Bilder handelte, die erst nach dem Erkenntnisverfahren auf der Internetseite der Beklagten hochgeladen wurden. Im Beschluss heißt es:

„Die Kerntheorie erlaubt aber nicht, die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel auf Schutzrechte zu erstrecken, die nicht Gegenstand des vorhergehenden Erkenntnisverfahrens gewesen sind. Insbesondere kommt keine Vollstreckung von Ordnungsmitteln wegen der Verletzung solcher Schutzrechte in Betracht, die zur Zeit des Erkenntnisverfahrens noch nicht einmal entstanden waren.(…) Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist daher auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist. Da jedes Schutzrecht – im Streitfall jedes vom Gläubiger angefertigte Lichtbild – einen eigenen Streitgegenstand darstellt, kann sich das rechtlich Charakterisische der konkreten Verletzungsform nicht über die konkreten Schutzrechte hinaus erstrecken, die Gegenstand des Erkenntnisverfahren waren.“

Erneutes Unterlassungsgebot erforderlich

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes weist immer einen Sanktionscharakter auf. Der Schuldner soll jedoch nicht für etwas bestraft werden, was zum Zeitpunkt des Ausspruchs des Unterlassungsgebots noch nicht entstanden war. Der Kläger muss demnach nun für die beiden neuen Rezeptfotos auch erneut ein Unterlassungsgebot erwirken.

(Bild: © Gerhard Paukstat – Fotolia.com)

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