„Stinkefinger-Bild“ im „SZ Magazin“ wirft Fragen zum Zitatrecht an Bildern auf

Auf dem Cover des Magazins der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe 37/2013) prangt eine Aufnahme des Politikers Peer Steinbrück, der seinen Stinkefinger in die Kamera zeigt. Der Fotograf dieses Bildes setzt sich laut Onlinemeldungen gegen die unberechtigte Nutzung seines Bildes in den Medien zu wehr. Zum Schutz seiner Rechte hat der Fotograf durch seinen Rechtsanwalt ein Informationsschreiben an die deutschen Medien verfasst, das auf eine urheberrechtskonforme Verwendung der Aufnahmen aufmerksam macht und gleichzeitig Unterlassung von urheberrechtlichen Verstößen fordert.

Das Bildzitat

Ein Bildzitat liegt dann vor, wenn ein Bild zitiert wird. Die Bildzitate unterfallen dem Schutz des Urheberrechtsgesetzes. Nach § 51 Ziffer 1 des Urheberrechtsgesetzes ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes generell zum Zweck des Zitats zulässig, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches (und populärwissenschaftliches) Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden. Das übernehmende Werk muss also wissenschaftlich sein. In alltäglichen Informationen, Reportagen und Zeitungsartikeln dürfen fremde Werke demnach nicht vollständig zitiert werden. Diese Vorschrift behandelt das sogenannte Großzitat.

Das sogenannte Kleinzitat ist seit 2008 gesetzlich verankert und hat in § 51 Ziffer 2 des Urheberrechtsgesetzes seine gesetzliche Grundlage gefunden. Danach ist es insbesondere zulässig, wenn einzelne Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden. Das Kleinzitat ist folglich auch zu anderen als wissenschaftlichen Zwecken möglich. Entscheidend ist, dass die Erlaubnis zur Nutzung lediglich einen kleinen Auszug aus dem ganzen Werk betrifft. Es kommt hierbei im Einzelfall auf das Verhältnis der Länge des Zitates zur Länge des zitierten Werkes an. Bei der Studie des Gesetzestextes kommt einem zunächst das literarische Zitat in den Sinn. Im Bezug auf Bilder können hier nur einzelne Bilder einer Serie oder auch Ausschnitte eines komplexen Bildes gemeint sein, also nicht das ursprüngliche Bild bzw. die ursprünglichen Bilder in seiner/ihrer Gesamtheit sondern nur ein Teil dessen. Bei Letzterem scheint die praktische Umsetzung zunächst schwerer vorstellbar. Sofern ein in sich schlüssiges sinnhaltiges Zitat aus einem einzelnen Bild faktisch nicht möglich ist, kann jedoch sogar die Verwendung des ganzen Bildes oder etwa ein Großteil der Bilder einer Bilderreihe als sogenanntes „kleine Großzitat“ zulässig sein, sofern auch die übrigen Voraussetzung des Zitatrechts bejaht werden können.

Bei dem Groß- als auch dem Kleinzitat sind keinerlei Veränderungen des Bildes gestattet. Zudem muss das Bild mit einer korrekten Quellenangabe abgelichtet werden. In einem Fall, dem das Landgericht Berlin im Jahre 2000 (Beschluss, Photonews 4/2000, 12) vorlag, entschied dieses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, zu einem Schwarzweiß-Foto aus dem Buch Odessa, welches vom Tagesspiegel leicht beschnitten und blau eingefärbt worden war. Das Gericht untersagte der Zeitung die Veröffentlichung mit der Begründung, dass ein Zitat ein Zitatzweck erfordere und eine Auseinandersetzung mit dem Bild im Text. Das Bild dürfe auch dann nur unverändert und mit zutreffender Quellen- bzw. Urheberangabe veröffentlicht werden.

Vorgehen des Fotografen

Der auch „Stinkefinger“-Fotograf genannte Urheber seiner markanten Aufnahme des Herrn Steinbrück will gegen die vielfältige Veröffentlichung fremder Medien vorgehen, die sein Bild vor allem im Internet wiedergeben. Die Rechtsanwälte des Fotografens untersagen, die Aufnahme oder auch das Coverbild als solches gewerblich zu verwenden. Sie weisen darauf hin, dass jedwede Bearbeitung unter dem Vorbehalt der Einwilligung stünde. Schließlich sei unter jeder Vervielfältigung des Bildes bzw. Abdruck des Covers ein Urheberrechtsvermerk nach dem Urheberrechtsgesetz erforderlich. Eine gewerbliche Verwendung ist nach dem oben Gesagten durch das Zitatrecht nicht gedeckt. Hierbei geht es zunächst um die Erleichterung des wissenschaftlichen Arbeitens, das bloße Vervielfältigen von Bildern für die gewerbliche Nutzung ist hiervon nicht umfasst. Dies steht jedoch bei den Medien im Vordergrund, die sich das Bild des Urhebers zu eigen machen, um im Zuge dessen etwa auf ihre Homepage und weitere Inhalte dieser aufmerksam zu machen. Wie zuvor anhand der Beispielfalls aus der Rechtsprechung gezeigt, ist auch eine Bearbeitung der Fotos nicht vom Zitatrecht gedeckt und somit zu unterlassen. Schließlich ist der Urheber des Bildes berechtigt, einen sogenannten Urheberrechtsvermerk an den von ihm gemachten Bildern zu verlangen (§§ 7, 10 Urheberrechtsgesetz).

Dieses Vorgehen unter Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts ist für einen Fotografen keinesfalls alltäglich, so ist es auch bezeichnend dafür, wie populär sein Bild ist und welchen Vervielfältigungsgrad es aufweist bzw. wie oft es auch öffentlich zugänglich gemacht wird.

Jedoch zeigt dieses Beispiel deutlich, dass sich ein Fotograf dagegen wehren kann, wenn seine Werke ungenehmigt vervielfältigt, öffentlich zugänglich gemacht werden und sogar in bearbeiteter Form veröffentlicht werden. Das Urheberrecht basiert auf dem Grundgedanken, dass der Urheber an jeglicher Nutzung seines Werkes/seiner Schöpfung durch andere monetär entlohnt wird. Gerade das Namensnennungsrecht des Urhebers spielt für Fotografen eine sehr große Rolle. Dieses Recht hat die Funktion die Verbindung zwischen Werk und dem Urheber für den Betrachter herzustellen und den Urheber bekannt zu machen. Die rechtliche Brisanz zeigt sich in den möglichen Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzte. Sofern die Vervielfältigung, das öffentliche zugänglich machen, die Veröffentlichung des bearbeiteten Werkes ohne Einwilligung und ohne Namensnennung am Werk, kann der Urheber diese Urheberrechtsverletzung abmahnen. Der Urheber kann sodann nicht unerhebliche Schadensersatzforderungen sowie ihm entstandene Rechtsanwaltskosten geltend machen und diese auch gerichtlich durchsetzen.

Die Tendenz Fotos, die man interessant oder schön findet mit copy/paste auf die eigene möglicherweise auch nur privat genutzte Homepage zu stellen oder auf Socialmedia-Plattformen zu posten, ist weit verbreitet. Den wenigsten ist dabei bekannt, dass dies eine Verletzung der Urheberrechte des Fotografen darstellt, bis sie eine kostenpflichtige Abmahnung erhalten.

Näheres zum Thema Bildzitat auch hier: Das Bildzitat als Sonderfall der Zitierfreiheit

(Bild: © Igor Dutina – Fotolia.com)

[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von Katharina Scharfenberg verfasst. Sie ist Rechtsanwältin für Urheber- und Medienrecht. Rechtsanwältin Katharina Scharfenberg studierte Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin. Das Referendariat absolvierte sie in Berlin und Krakau. Nach dem 2. Staatsexamen arbeitete sie in der Rechtsabteilung eines großen Consulting Unternehmens und ist seit 2007 als Rechtsanwältin zugelassen. Frau Rechtsanwältin Scharfenberg ist ausschließlich auf dem Gebiet des Urheber- /Medienrechts und Wettbewerbsrecht tätig. Hierzu gehört ebenfalls die Beratung auf dem Gebiet des Foto- und Presserechts. [/box]

4 Gedanken zu „„Stinkefinger-Bild“ im „SZ Magazin“ wirft Fragen zum Zitatrecht an Bildern auf“

  1. Das Bild wurde dazu häufig sinnentstellt veröffentlicht, da textlich der Eindruck vermittelt wurde, der „Stinkefinger“ gelte den Wählern. Der Hintergrund der Aufnahme, die Beantwortung einer konkreten Frage, wurde häufig unterlassen.

    Antworten
  2. „Bejahrt“ ist das richtige Wort (SCNR). Denn die Auffassung, dass Bilder als Ganzes  nur in wissenschaftlichen oder populärwissenschaftlichen Werken zitiert werden dürfen, ist in die Jahre gekommen. Das große Kleinzitat wird seit dem Zweiten Korb durch die Generalklausel in § 51 („Zulässig ist dies insbesondere …“) vom Zitatrecht erfasst. Das übernehmende Werk muss nicht mehr wissenschaftlich sein. Und das sogenannte Kleinzitat ist m. E. nicht erst seit 2008 gesetzlich verankert. § 51 Ziffer 2 gab es schon viel früher.
    MfG
    Johannes

    Antworten
  3. Dieses Beispiel zeigt mal wieder wie bescheuert unser Urheberrecht ist. Diese Lizenz-Trolle leben doch in der digitalen Steinzeit und melken den kleinen Mann (Sprich Blogger, Facebook-Nuter, usw). Widerlich!

    Antworten

Schreibe einen Kommentar