Mit nicht allzu großer Überraschung hat das LG Hamburg heute im Fall Gema gegen YouTube entschieden. YouTube haftet für unberechtigt hochgeladene Videos nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Sieben Videos mussten daraufhin entfernt werden.
YouTube als Störer…
Mit dem Urteil kann YouTube eigentlich ganz zufrieden sein. Denn entgegen der Forderung der Gema, dass YouTube als Täter haften solle, sieht das Gericht nur die Störerhaftung als gegeben an. Für eine Verbreiterhaftung sah das LG keinen Anlass, da YouTube die Videos weder selbst hochgeladen noch sich deren Inhalte zu Eigen gemacht habe. Damit sind YouTube weitreichende Konsequenzen erspart worden, die eine „Täterhaftung“ mit sich gebracht hätte.
… mit der Lizenz zum Löschen
Durch das Bereitstellen und den Betrieb der Videoplattform hat YouTube als Störer einen Beitrag zu den Rechtsverletzungen geleistet. Da die Videos nicht unverzüglich (das Gericht empfand ~ 1 ½ Monate wohl richtigerweise als zu lang) entfernt wurden, hat YouTube damit gegen die gebotene Pflicht verstoßen.
Der Beurteilung, dass YouTube prinzipiell eher Störer als Täter ist, wird man wohl zustimmen müssen. Alles andere hätte wohl jeden Diensteanbieter schaudern lassen.
Aktive Prüf- und Überwachungspflichten
Bei einer Abwägung der betroffenen Interessen und rechtlichen Wertungen gegeneinander befand das Gericht weiter, dass es YouTube aufzuerlegen sei, durch den Einsatz einer Software künftige Uploads zu verhindern, die eine mit einer gemeldeten Musikaufnahme übereinstimmende Aufnahme enthält. Das entsprechende Programm sei bereits in Form des Content-ID-Programms vorhanden und müsse nur von YouTube selbst (richtig) eingesetzt werden. Die Prüfungs- und Kontrollpflichten zwingen jedoch nicht dazu, dass der gesamte Datenbestand im Vorhinein überprüft werden müsse, sondern immer erst ab Kenntnis von einer konkreten Rechtsverletzung.
Ebenso mutet das Landgericht YouTube zu, Musikvideos über einen Wortfilter zu erkennen und ggf. zu löschen, sobald deren Titel sowohl den Titel als auch den Interpreten der in einem Video beanstandeten Musikaufnahme enthält.
Eine (pro)aktive Prüfpflicht besteht also quasi durch die Hintertür in der Form, dass bei einmaliger Kenntnis eines Verstoßes dieser nicht nur beseitigt, sondern auch in Zukunft durch Abgleich von Bild, Ton und Text ausgeschlossen werden solle.
Vereinbar mit EuGH-Entscheidung?
Ob diese Entscheidung mit der EuGh-Entscheidung (Urteil v. 16.02.2012, Az.: C‑360/10) zur Frage von Filterpflichten sozialer Netzwerke vereinbar ist, mag man auf den ersten Blick anzweifeln … auf den zweiten wohl auch.
Bei der EuGH-Entscheidung ging es um Präventivmaßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen in der Art, dass ein Provider verpflichtet werden sollte, ein Filtersystem einzurichten, mit dem sich Dateien ermitteln lassen, die musikalische, filmische oder audiovisuelle Werke enthalten, an denen der Antragsteller Rechte des geistigen Eigentums zu haben behauptet, um zu verhindern, dass die genannten Werke unter Verstoß gegen das Urheberrecht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Der EuGH entschied sich gegen die Rechtmäßigkeit einer solchen Installation. Einerseits aus Datenschutzgründen (die durch Art. 8 und 11 der Charta geschützten Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen), andererseits weil eine Abwägung der Interessen der Rechteinhaber und der Provider im Sinne der Provider zu entscheiden sei. Ein Filtersystem würde zu einer
qualifizierten Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit des Hosting-Anbieters führen, da sie ihn verpflichten würde, ein kompliziertes, kostspieliges, auf Dauer angelegtes und allein auf seine Kosten betriebenes Informatiksystem einzurichten, was im Übrigen gegen die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 verstieße, wonach die Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein dürfen.
Zu guter Letzt ist auch die Informationsfreiheit betroffen,
weil die Gefahr bestünde, dass das System nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen und einem zulässigen Inhalt unterscheiden kann, so dass sein Einsatz zur Sperrung von Kommunikationen mit zulässigem Inhalt führen könnte. Denn es ist unbestritten, dass die Antwort auf die Frage der Zulässigkeit einer Übertragung auch von der Anwendung gesetzlicher Ausnahmen vom Urheberrecht abhängt, die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren. Ferner können bestimmte Werke in bestimmten Mitgliedstaaten gemeinfrei sein, oder sie können von den fraglichen Urhebern kostenlos ins Internet gestellt worden sein.
Bestand des LG-Urteils zweifelhaft
Wenn man sich die einzelnen Begründungen des EuGH durchliest, so bekommt man erhebliche Zweifel, dass das Urteil des LG in höheren Instanzen standhält. Man kann dem LG immerhin zu Gute halten, dass es YouTube nicht auferlegt hat, im Vorhinein und ohne konkrete Rechtsverletzung, das Content-ID-Programm sowie den Wortfilter einsetzen zu müssen. Doch hat diese eigentlich reaktive Maßnahme einen erheblich proaktiven Geschmack.
Ob es nun unnötig kompliziert ist, ein solches System einzurichten, mag dahingestellt sein – vielleicht ist es sogar komplizierter und kostspieliger, jeder einzelnen Meldung auf Urheberrechtsverletzung nachzugehen. Doch muss man wohl annehmen, dass eine Überprüfung des Content-ID-Programm und des Wortfilters bzgl. einer „komplizierten, kostspieligen, auf Dauer angelegten und allein auf seine Kosten betriebenen“ Installation eher zu Gunsten von YouTube ausfallen würde.
Ebenso kann eine Überwachung durchaus gegen die durch Art. 8 und 11 der Charta geschützten Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen verstoßen. Zudem wird das Content-ID-Programm vermutlich nicht fehlerfrei funktionieren, sodass wir auch die Informationsfreiheit mit in den Topf werfen können.
Fazit
Es ist ein Teilerfolg für die Gema, dass YouTube als Störer anerkannt wurde. Das war aber weder wirklich überraschend noch bahnbrechend. Anders hingegen, dass das Landgericht Hamburg dem Störer solch weitreichenden Überwachungspflichten auferlegen möchte.
Leider liegt das Urteil bisher nicht im Volltext vor, daher lassen sich die wahren Beweggründe und Argumente des LG Hamburg bis hierher nicht nachvollziehen. Aufgrund bisher vorliegender Informationen sprechen viele Argumente gegen eine Vereinbarkeit mit dem EuGH-Urteil.
Das Urteil des LG ist nicht rechtskräftig und es kann erwartet werden, dass es ein Nachspiel vor dem OLG oder gar dem BGH geben wird. Nicht gänzlich ausgeschlossen bleibt natürlich, das die Gema und YouTube noch einmal zusammenfinden und eine wirtschaftliche Lösung erarbeiten können.
(Bild: Google)