BGH: Unzulässige Veröffentlichung von Laufbildern hat Anspruch auf Herausgabe der Werbeeinnahmen zufolge

Den Hinweis „Quelle: Internet“ findet man immer häufiger in den „etablierten“ Medien wie Fernsehen oder Presse. Gezeigt werden dann häufig Bilder oder Videos, die auf Plattformen wie YouTube oder Flickr eingestellt worden sind – und bei denen häufig die Urheber nicht erkennbar sind.
Doch auch solche Filme und Bilder haben Urheber, was bei einer unbefugten Verwendung durchaus erhebliche finanzielle Folgen für die Sender oder Zeitschriften haben kann.

Wer erinnert sich nicht an die dramatischen Aufnahmen eines führenden FDP-Politikers, als dieser aus einem Flugzeug zu Tode stürzte. Der Film wurde zunächst von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt – Jahre danach wurden die Aufnahmen dann im Fernsehen gezeigt, fanden Verbreitung im Internet und in Zeitungen.

Der Urheber sagte dazu: „Ich habe dieses Video nicht freigegeben und habe niemandem die Erlaubnis zur Veröffentlichung gegeben.“ Und so entschied er sich dazu, gegen einen Nachrichtensender und ein Internetvideoportal zu klagen. Zunächst verlangte er Auskunft über die Höhe der Werbeerlöse, die die Beklagten am Tag der Ausstrahlung hatten, um dann in einem zweiten Schritt Schadensersatz in der so bestimmten Höhe beziffern zu können.

Beide Auskunfts-Klagen wurden zunächst in erster Instanz abgewiesen, nach der Berufung wurden die Beklagten dann zur Erteilung der Auskunft verurteilt. Doch damit war noch nicht Schluss – der Bundesgerichtshof hatte die Sache schließich in der Revision abschlißend zu prüfen. Und gab dem Kläger Recht.

Der BGH gründete seine Entscheidungen auf die zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung geltende Fassung des § 97 Absatz 1 Satz 2 UrhG (Urheberrechtsgesetz), nach dem bei einer widerrechtlichen Verletzung des Urheberrechts der Verletzte

… an Stelle des Schadenersatzes […] die Herausgabe des Gewinns, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, und Rechnungslegung über diesen Gewinn verlangen [kann].

Die Beklagten hatten die Videoaufnahmen von einem Dritten erhalten, aber „ohne mit der nötigen Sorgfalt zu prüfen, ob [dieser] zu deren Einräumung imstande gewesen sei.“

Praxistipp:

Das zeigt, dass es bei nicht selbst hergestelltem Videomaterial immer wichtig ist, vor einer Veröffentlichung die Rechte ausführlich zu prüfen, um nicht – wenn auch ungewollt – eine Urheberrechtsverletzung zu begehen. Kann man den Urheber nicht ermitteln, so sollte man auf eine Veröffentlichung lieber verzichten.

Streitig war letztlich noch, inwieweit die Werbeeinnahmen, die der Sender bzw. der Internet-Videodienst am Tag der Ausstrahlung erzielten, tatsächlich zur Berechnung des zu zahlenden Schadensersatzes herangezogen werden konnten. Die Beklagten argumentierten, die Werbekunden hätten ihre Werbeaufträge schon lange Zeit vor der Ausstrahlung des Videos gebucht. Zu diesem Zeitpunkt sei aber noch nicht bekannt gewesen, ob und wann das Video gesendet würde. Sie beriefen sich also darauf, dass die Ausstrahlung des Videos und die Werbeeinnahmen nicht miteinander zusammenhingen.

Der BGH sagte dazu (in weitgehend identischer Wortwahl):

Für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Werbeeinnahmen und der Ausstrahlung des Videofilms reicht es vielmehr aus, dass die Kunden der Beklagten ihre Werbung im Umfeld einer Nachrichtensendung platzieren. Das folgt aus der Gestaltung der Sendung der Beklagten, bei der Nachrichten und Werbung gesendet werden und bei der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die von der Aktualität der Nachrichteninhalte ausgehende Aufmerksamkeit des Publikums dazu benutzt wird, das dadurch geweckte Zuschauerinteresse auf die bezahlte Werbung umzulenken. Mit diesem Ziel platzieren die Kunden der Beklagten ihre Werbung im Umfeld einer Nachrichtensendung.

Die Ausstrahlung des Videos war also mindestens mitursächlich für die Werbeeinnahmen.

Das klingt logisch: Die Firmen, die für die Werbung bezahlten, gehen davon aus, dass die Menschen die Nachrichten des Tages sehen wollen und so auch die Werbung wahrnehmen. Welche Nachrichten das sind, ist letztlich unerheblich.

Doch auch andere Faktoren beeinflussen die Höhe der Werbeeinnahmen: das allgemeine Zuschauerinteresse, die Stellung des Beklagten im Markt und ihre Akquisitionserfolge bei Werbeaufträgen. Dies schlißt aber einen Zusammenhang zwischen den Nachrichten und den erzielten Werbeeinnahmen nicht aus – lediglich ergebe sich daraus, dass der Gewinn nur zu einem Bruchteil auf der Urheberrechtsverletzung beruhe und der Schadensersatz somit auch nur in dieser Höhe gefordert werden könne.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 25.03.2010, Aktenzeichen: I ZR 122/08 und I ZR 130/08

[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von unserem Gastautor Sebastian Dosch verfasst. Er ist seit 1999 Rechtsanwalt und seit 2007 Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht). Berufserfahrung hat er nicht nur als Anwalt gesammelt, sondern auch in IT-Unternehmen, in der Softwareentwicklung, als Internet-Manager für einen Fachverlag und im Bereich Electronic Publishing. Dabei ist er darauf bedacht, sich nicht hinter juristischem Fachchinesisch zu verstecken, sondern Klartext zu reden. Hier hilft ihm seine jahrelange Erfahrung als freier Mitarbeiter einer Lokalzeitung und seine ausgesprochene Liebe gegenüber der deutschen Sprache. Folgerichtig nennt sich sein Blog auch “kLAWtext” [http://www.klawtext.de]. [/box]

3 Gedanken zu „BGH: Unzulässige Veröffentlichung von Laufbildern hat Anspruch auf Herausgabe der Werbeeinnahmen zufolge“

  1. Sag mal, müsste das nicht in ähnlicher Weise auch auf Fotos zutreffen? Nimm an, jemand verwendet ein Foto, welches sich auf einer Downloadplattform mit angeblich allen Nutzungslizenzen befindet. Da müsste ich doch auch prüfen, ob ich den Urheber ermitteln kann…?

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  2. Hallo, Manu,

    das gilt prinzipiell für alle urheberrechtlich geschützten Werke – auch solche, die bei „Downloadplattformen“ angeboten werden. In jedem Fall ist vor der Verwendung solcher Bilder, Videos, Fotos etc. die Rechtslage zu überprüfen.

    Unterschied zum hier vorliegenden Fall könnte jedoch sein, wie dann der Schadensersatz errechnet wird – hierbei sind Werbeeinnahmen nämlich oft uninteressant. Da kommen dann beispielsweise eher die üblichen Lizenzkosten – ggf. mit Verletzeraufschlag – als Berechnungsgrundlage in Frage.

    Ich hatte schon einige Mandanten, die sagten: „Ich habe das bei Googles Bildersuche gefunden – das kann ich doch frei verwenden.“ Weit gefehlt! Die Rechte an diesen Bildern liegen nicht bei Google, sondern beim ursprünglichen Urheber. Und der sollte, wie gesagt, ermittelt werden.

    Sebastian Dosch, Rechtsanwalt

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