Straßenfotografie – eine rechtlich heikle Kunst

Fotograf Eichhöfer

Espen Eichhöfer ist ein Fotograf der Ostkreuz-Agentur und fotografiert vor allem Alltagsszenen auf offener Straße. Er stellt diese entweder in Galerien aus oder veröffentlicht sie im Internet. In den meisten Fällen befinden sich auf seinen Bildern deutlich erkennbare Personen in alltäglichen Straßenszenen.

Einem Bericht der Berliner Zeitung zufolge, lichtete er auf einem im Mai 2013 geschossenen „Street“-Foto eine gut gekleidete Frau vor dem Berliner Bahnhof Zoo ab. Eichhöfer stellte das Bild in der Galerie „C/O Berlin“ aus. Er wollte eine typische Berliner Straßenszene darstellen. Dies tat er, ohne die Frau um Erlaubnis zu bitten. Die Konsequenz, die er daraus ziehen musste, war eine Klage auf Unterlassung und Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 4.500€ gegen ihn sowie die Galerie. Die Passantin sah sich durch die Fotografie und deren Veröffentlichung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.

Abwägung der unterschiedlichen Rechte

Straßenfotografie ist rechtlich gesehen ein sehr heikles Thema. Es stehen sich die Kunstfreiheit des Künstlers und die Persönlichkeitsrechte der abgelichteten Menschen gegenüber.

Der Fotograf muss sich grundsätzlich für den Fall der späteren Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung der Bilder eine Einwilligung der abgebildeten Personen einholen (§ 22 S.1 KunstUrhG). Hiervon gilt lediglich dann eine Ausnahme, wenn die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen oder es sich um Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen handelt (§ 23 Abs. 1 KunstUrhG). Der Fotograf muss sich also entweder vor oder nach der Fotografie eine Einwilligung der abgebildeten Personen einholen. Dass dies mit dem Grundgedanken der Streetphotography nicht in Einklang steht, ist für Eichhöfer offensichtlich: „Das ist praktisch überhaupt nicht möglich. Man kann nicht jedem hinterherlaufen. Und wenn man das Einverständnis vorher einholen würde, wäre der Moment, das Motiv vorbei.

Für die Fotografen streiten die Panorama- und Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG). Sie haben sich gegenüber dem Recht am eigenen Bild der abgebildeten Person(en) zu behaupten. Darüber hinaus wird wohl auch die lange Tradition der Straßenfotografie zu berücksichtigen sein. Denn ohne die zufälligen Aufnahmen einer Straßenszene könnten zukünftige Generationen das Leben des Jahres 2015 nicht derart nachvollziehen, wie wir es die letzten über 100 Jahre konnten.

Gerichtsentscheidung

Im Fall Eichhöfer setzte die fotografierte Dame vor dem Landgericht Berlin ihren Unterlassungsanspruch durch. Das Gericht entschied, dass das Bild aus der Galerie entfernt werden müsse. Dem Schadensersatzanspruch gab das Gericht hingegen nicht statt.

Rechtssicherheit für (Street-)Fotografen

Um in Zukunft auf der sicheren Seite zu sein, legte Eichhöfer Berufung gegen die Entscheidung ein. Er wünscht sich auf dem Gebiet der Straßenfotografie zukünftig Rechtssicherheit und würde dafür sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen.

Zur Erreichung dieses Ziels gründete er eine Kampagne bei der Crowdfundingplattform Startnext, mit Hilfe derer er Geld für einen möglichen Prozess sammelt.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie das Kammergericht nun mit der Berufung umgeht. In jedem Fall wird es interessant zu beobachten sein, wie es die Rechte der Fotografen und der abgelichteten Personen gewichten wird. Ein Grundsatzurteil erscheint angesichts der mannigfaltigen unterschiedlichen Interessen jeden Einzelfalls jedoch eher unwahrscheinlich.

Quellen:

(Bild: © ARTENS – Fotolia.com)

3 Gedanken zu „Straßenfotografie – eine rechtlich heikle Kunst“

  1. Wer sich im öffentlichen Raum bewegt, ist Teil einer Szene, deren Ablichtung erlaubt werden sollte. Wenn das Beispiel der Dame die nun 4.500€ Schmerzensgeld verlangt Schule machen sollte, dann wird jeder, der als Amateur oder Profi, mit dem Handy oder der Camera eine Aufnahme macht, erpressbar. Es wird sehr schnell Leute geben, die darauf abzielen vor die Linse zu gelangen, um nachher Geld zu verlangen. Welchen Schmerz hat die Dame durch das Bild erlitten und wie wurde die Summe begründet? Sollten solche Urteile künftig zu Gunsten der Abgebildeten entschieden werden, dann es es absehbar, dass aus derartigen Anzeigen ein neuer Berufszweig erwachsen wird. Persönlichkeitsrechte sind im privaten Umfeld zu wahren, in der Öffentlichkeit sollten andere Gesetze gelten. Unverständlich ist auch die Bemessungsgrundlage der Bussgelder. Ist der erlittene Schaden wirklich einen oder mehrere Monatsgehälter wert?

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  2. Ich bin der Ansicht, dass man durchaus den normalen Bürger vor dem Ablichtungswahnsinn schützen muß.

    Wenn ich mich in der Öffentlichkeit bewege, muß ich sicher sein können, dass ich nicht in einer unbeobachtet geglaubten Sekunde das Ziel eines „Kunstpaparazzi“ werde und machtlos akzeptieren muß, zu dessen „Nutzen“ ungefragt im Internet oder in einer Galerie ausgestellt zu werden.

    Neee neee – bei den heutigen Möglichkeiten des Mißbrauchs solcher Bilder ist dieser Schutz durch das Gesetz sicher nötig.

    Man kann sich ja im Nachhinein einigen, und wenn das gegen die Interessen des Fotografen ist, na dann hat er das eben zu akzeptieren.

    m2C

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  3. Alles sollte Grenzen haben, auch der Datenschutz. Wer sich in die „Öffentlichkeit“ begibt ist öffentlich im öffentlichen Raum, in dem er sich selbst hineinbegeben hat und alle -vermeindlichen- Risiken kennt, die Öffentlichkeit verursacht. Der Gesetzgeber hat hier eine Kunstform quasi vernichtet, für was? Für einen löchrigen Datenschutz und ein extrem übertriebenes Persönlichkeitsrecht. Hier fehlt ein gerütteltes Mass von Ausgewogenheit.
    Richtig ist es, hinterher, nach dem Schuß auf den Abgelichteten zuzugehen. Sind es mehr wie Zwei… Drei wird es schon schwieriger mit dem Ansprechen. Richtig ist es auch die Veröffentlichung von Bildern, die herabwürdigend sind zu verbieten, aber sonst.
    Hier ist etwas ganz doll aus dem Ruder gelaufen und sollte korregiert werden.

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