LG Düsseldorf: Prominente müssen Pop-Art nicht dulden

Leitsätze der Redaktion

  1. Ein höheres Interesse der Kunst ist nur gegeben, wenn die Abbildung der Kunst im Sinne des Art. 5 GG dient und eine Interessenabwägung ergibt, dass die Herstellung bzw. Verwertung des Bildes für den künstlerischen Zweck notwendig, geboten und verhältnismäßig ist.
  2. Ein höheres Interesse der Kunst scheidet aus, wenn nicht überwiegend künstlerische, sondern andere Zwecke verfolgt werden. Gleiches gilt bei alleiniger oder gleichzeitiger Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke.

LG Düsseldorf

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 12 O 545/11

Verkündet am: 28.11.2012

Dem Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, untersagt, ohne Einwilligung des Klägers,

a) Bildnisse zu verbreiten und/oder zur Schau zu stellen und/oder zu bewerben und/oder anzubieten und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern darin der Kläger bildlich dargestellt wird, wenn dies geschieht wie folgt:

[…]

b) Bildnisse wie vorstehend eingeblendet zu verbreiten und/oder zur Schau zu stellen und/oder zu bewerben und/oder anzubieten und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern hierbei der Name des Klägers benutzt wird, wenn dies geschieht wie folgt:

„POP ART Gemälde/painting A“

und/oder

„Golfing Superstar A“.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die unter Ziffer 1. bezeichneten Verletzungshandlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 523,48 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2011 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist seit 2005 Berufsgolfer. Aufgrund seiner zahlreichen sportlichen Erfolge ist er national und international bekannt. Er gewann im Jahre 2010 als zweiter Deutscher ein sog. „Major-Turnier“. Im Februar 2011 stieg er an die Spitze der Golf-Weltrangliste auf.

Aufgrund seines sportlichen Erfolges hat der Kläger zahlreiche vertragliche Verpflichtungen mit Sponsoren zur Vermarktung seines Bildnisses und Namens schließen können. Diese teilweisen exklusiven Verträge stellen einen wesentlichen Bestandteil zum Unterhalt seiner Tätigkeit als Berufssportler dar. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien besteht nicht.

Der Beklagte erstellt sog. „Pop Art“ – Gemälde, die einerseits Prominente aus Kultur, Sport und Politik, andererseits Alltagsgegenstände wie Pkws zeigen. Hierbei trägt er Acrylfarbe auf eine Leinwand auf. Er vertreibt diese Bilder sowohl über eBay als auch über seine Homepage B.

Der Kläger erlangte am 10.09.2011 Kenntnis davon, dass der Beklagte in einer am 11.09.2011 um 21:46 Uhr auslaufenden Auktion auf der Internetauktionsplattform C unter der Artikelbezeichnung „POP ART Gemälde / painting A – GOLF“ ein „Pop Art“ – Bild anbot, das das Bildnis des Klägers – wie im Tenor wiedergegeben – zeigt. In der Artikelbeschreibung heißt es: „Golfing Superstar A“.

Der „Pop Art“ – Stil zeichnet sich dadurch aus, dass Fotografien in nahezu identischer Weise, lediglich in einer geänderten Farbkombination, mittels eines Druckverfahrens oder durch händisches Auftragen von Farbe auf einer Leinwand wiedergegeben werden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.09.2011 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf.

Im Rahmen der außergerichtlichen Korrespondenz erteilte der Beklagte dem Kläger dahingehend Auskunft, dass er zwei den Kläger zeigende Bilder hergestellt und eines davon auf eBay zum Preis von 43,50 € verkauft habe.

Der Kläger beantragt,

1. dem Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu untersagen, ohne Einwilligung des Klägers,

a) Bildnisse zu verbreiten und/oder zur Schau zu stellen und/oder zu bewerben und/oder anzubieten und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern darin der Kläger bildlich dargestellt wird, wenn dies geschieht wie folgt:

b) Bildnisse wie vorstehend eingeblendet zu verbreiten und/oder zur Schau zu stellen und/oder zu bewerben und/oder anzubieten und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern hierbei der Name des Klägers benutzt wird, wenn dies geschieht wie folgt:

„POP ART Gemälde/painting A“

und/oder

„Golfing Superstar A.

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die unter Ziffer 1. bezeichneten Verletzungshandlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 523,48 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, es greife sowohl § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG als auch § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG ein. Er behauptet, er huldige mit seinen Bildern den von ihm dargestellten Prominenten. Er habe den Kläger als Motiv gewählt, da es ihn geärgert habe, dass der Kläger in der deutschen Öffentlichkeit nicht hinreichend wahrgenommen worden sei. Er ist der Ansicht, es fehle zudem an der Wiederholungsgefahr, da er keine lebenden Prominenten mehr in Porträts festhalten werde, sofern diese nicht ihre Einwilligung erteilt haben.

Die Klage ist dem Beklagten am 03.12.2011 zugestellt worden.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist – bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung – begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch darauf, es zu unterlassen, ohne Einwilligung des Klägers Bildnisse zu verbreiten und/oder zur Schau zu stellen und/oder zu bewerben und/oder anzubieten und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern darin der Kläger bildlich dargestellt wird, wenn dies geschieht, wie aus dem Tenor ersichtlich, gemäß §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG.

Ein Verstoß gegen § 22 KUG durch den Beklagten liegt vor. Gemäß § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine Einwilligung des Klägers ist unstreitig nicht gegeben.

Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG berufen. Danach dürfen Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

Eine Bestellung im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG setzt eine Bestellung des Abgebildeten voraus. Diese ist unstreitig nicht gegeben.

Ein höheres Interesse der Kunst gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG ist nur gegeben, wenn die Abbildung der Kunst im Sinne des Art. 5 GG dient und eine Interessenabwägung ergibt, dass die Herstellung bzw. Verwertung des Bildes für den künstlerischen Zweck notwendig, geboten und verhältnismäßig ist. Angesichts des bewusst restriktiven Anwendungsbereichs der Vorschrift ist diese auf eine Verwertung zu anderen als künstlerischen Zwecken, namentlich zu gewerblichen Zwecken, nicht anwendbar (Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 2. Aufl. 2009, § 23 KUG Rn. 48 mwN). § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG greift dann nicht ein, wenn nicht überwiegend künstlerische, sondern andere Zwecke verfolgt werden (vgl. BerlVerfGH, NJW-RR 2007, 1686, 1688 mwN). Bei alleiniger oder gleichzeitiger Verfolgung wirtschaftlicher, unterhaltender und sonstiger nicht-künstlerischer Zwecke greift die Ausnahme nicht (Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 23 KUG, Rn. 23). Auch ist nicht das künstlerische Bildnis schlechthin privilegiert, sondern nur dessen Verbreitung oder Schaustellung zu Zwecken der Kunst (vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 23 KUG, Rn. 60).

Der Beklagte hat das streitgegenständliche Bild bei C zum Kauf angeboten. Damit hat er überwiegend wirtschaftliche Interessen verfolgt. Dass eine „künstlerische Verwertung“ des streitgegenständlichen Bildes im Sinne einer Ausstellung erfolgt oder beabsichtigt war, ist weder dargetan noch ersichtlich. Vielmehr deuten die Gesamtumstände darauf hin, dass der Beklagte mit einer möglichst realistischen Abbildung des Klägers dessen Fans ansprechen und hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil erzielen wollte.

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG greift nicht zugunsten des Beklagten ein. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG schränkt das Persönlichkeitsrecht am eigenen Bildnis ein, um den Bedürfnissen der Allgemeinheit an einer sachgerechten bildmäßigen Unterrichtung über Persönlichkeiten und Geschehnisse der Zeitgeschichte Rechnung zu tragen. Bei dem Kläger dürfte es sich zwar um eine Person der Zeitgeschichte handeln. Die aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG resultierende Pflicht, die Abbildung hinzunehmen, ist jedoch nicht schrankenlos.

Die Vorschrift gewährleistet die Freiheit der Berichterstattung über Vorgänge von allgemeinem Interesse unter bildlicher Darstellung der beteiligten Person (Fricke, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl. 2009, § 23 KUG Rn. 3). Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist vorliegend nicht eröffnet, da die bloße Wiedergabe des Bildnisses des Klägers bereits keinen Informationswert hat (vgl. Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 2. Aufl. 2009, § 23 KUG Rn. 32 mwN). Dem Erfordernis eines schutzwürdigen Informationsinteresses ist dann genügt, wenn das Bild der Person der Zeitgeschichte in einen für den Betrachter deutlichen Zusammenhang mit den Leistungen gestellt wird, wegen derer diese Person bekannt ist (vgl. BGH, NJW 1997, 1152, 1153). Daran fehlt es vorliegend.

Darüber hinaus stehen berechtigte Interessen des Klägers im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG entgegen. Der Kläger muss es nicht hinnehmen, dass sein Bildnis aus kommerziellen Interessen von dem Beklagten auf eine Leinwand gebracht und zum Verkauf angeboten wird. Die wirtschaftliche Verwertung seiner Bildnisrechte steht dem Kläger zu. Der Kläger erzielt einen wesentlichen Teil seiner Einnahmen durch die Vermarktung seiner Person, insbesondere durch Auftritte als Werbeträger und Vermarktung seines Bildnisses und Namens. Der Gesichtspunkt der Kunstfreiheit führt nicht zu dem Ergebnis, den Eingriff des Beklagten in die Rechte des Klägers als rechtmäßig erscheinen zu lassen. Insoweit führt die vorzunehmende Güter- bzw. Rechteabwägung nach § 23 Abs. 2 KUG zu dem Ergebnis, das Verhalten des Beklagten als rechtswidrig einzustufen. Denn der Kläger kann sich gegenüber der Kunstfreiheit auf seinen Persönlichkeitsschutz und sein Recht am eigenen Bild berufen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 13.01.2004, Az.: 7 U 41/03, MMR 2004, 413, 414; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 12.12.2008, Az.: 2-06 O 249/06, BeckRS 2009, 26562). Das Recht des Klägers, den Einsatz seines Bildnisses zu steuern und an den entsprechenden Erlösen aus dem Einsatz des Bekanntheitsgrades seiner Persönlichkeit zu partizipieren, überwiegt.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat der Beklagte nicht abgegeben. Die bloße Zusage, keine lebenden Prominenten mehr in Porträts ohne deren Einwilligung festzuhalten, ist nicht ausreichend.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch darauf, es zu unterlassen, ohne Einwilligung des Klägers Bildnisse, wie im Tenor eingeblendet, zu verbreiten und/oder zur Schau zu stellen und/oder zu bewerben und/oder anzubieten und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern hierbei der Name des Klägers benutzt wird, wenn dies geschieht wie folgt: „POP ART Gemälde/painting A“ und/oder „Golfing Superstar A“, gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1, 2 GG.

Die vorgenommene unbefugte Verwendung des Namens des Klägers verletzt den Kläger im vermögenswerten Bestandteil seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das Recht zur kommerziellen Verwendung seines Namens steht dem Kläger selbst zu. Auch insoweit führt die gebotene rechtliche Abwägung aus den dargestellten Erwägungen dazu, dass der Kläger die vorrangig der Befriedigung kommerzieller Interessen dienende Verwendung seines Namens schon im Hinblick auf das für ihn streitende allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht hinzunehmen braucht.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr besteht.

Der Feststellungsantrag ist gemäß §§ 22 KUG, 823 BGB begründet. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der gerichtlichen Feststellung eines Schadensersatzanspruchs, da dieser noch nicht beziffert werden kann. Der Beklagte handelte schuldhaft.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 523,48 € gemäß §§ 22 KUG, 823 BGB. Die Abmahnung war berechtigt. Die Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 20.000,00 €, die Ansetzung einer 0,65 Geschäftsgebühr, 20,00 € Auslagenpauschale sowie 19 % Umsatzsteuer ist angemessen.

Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht gemäß §§ 288, 291 BGB, jedoch lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, da es sich nicht um eine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB handelt (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, §§ 288 Rn. 8, 286 Rn. 27).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 20.000,00 €

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