Eigentumsbeeinträchtigung durch Filmaufnahmen von Grundstück aus

Das LG Berlin hat dem Produzenten und Regisseur eines Films über U-Bahn-Graffiti in Berlin mit Urteil vom 10.05.2012 (Az.: 16 0 199/11) untersagt, selbst oder durch andere Personen ungenehmigte Filmaufnahmen von Verkehrsmitteln bzw. Betriebsanlagen zu vervielfältigen oder zu verbreiten, soweit diese innerhalb dieser Verkehrsmittel oder Anlagen aufgenommen worden sind. Weiter muss der Produzent dem „Eigenbetrieb Berliner Verkehrsbetriebe“ (BVG) Auskunft über den Umfang der kommerziellen Nutzung des Films erteilen. Der Rechtsprechung des BGH folgend erkennt das Landgericht an, dass das ungenehmigte Filmen eines Gebäudes und die Verwertung der Bilder eine Eigentumsverletzung darstellt, wenn das Gebäude von dem Grundstück aus gefilmt werde, auf dem es sich befindet.

Worum es ging

Die BVG als Klägern ist Eigentümerin diverser Bahnhöfe, dazwischenliegender Verkehrsflächen und U-Bahnzüge. Diese werden regelmäßig mit Graffiti versehen. Der Produzent des Films hat die Sicht der Graffiti-Sprayer dargestellt und dabei auch Aufnahmen vom Eigentum der BVG gezeigt, sowie Sequenzen, in denen Unbekannte in die Tunnelanlagen eindringen und Züge bemalen / sprayen.

Ebenso wurden Mitarbeiter der BVG gezeigt, die eine routinemäßige Reinigung eines unbemalten Zuges in einer Betriebswerkstatt durchführten. Der Produktionsassistent hatte sich vorher als Student des Journalismus ausgegeben, der für ein Jugendmagazin die Reinigung eines bemalten Zuges auf Video aufnehmen wollte.

Der gesamte Film inklusive Bonusmaterial wurde im Internet zum Kauf angeboten.

Das Urteil

Das Landgericht Berlin sah keinen Anspruch aus § 823 § 823 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, da es an einem betriebsbezogenen Eingriff fehle. Ebenso nicht in Betracht kämen für den Produzenten die Straftatbestände der Sachbeschädigung nach § 303 Strafgesetzbuch (StGB) oder Hausfriedensbruch nach § 123 StGB.

Vielmehr wird der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB zugestanden. Verletzt wird das Grundstückseigentum. Damit schließt sich das Landgericht konsequenterweise der Rechtsprechung des BGH an (Urteil v. 17.12.2010, Az.: V ZR 45/10 – Preußische Schlösser und Gärten).

Nach der Rechtsprechung des BGH (…) stellen das ungenehmigte Filmen eines Gebäudes und die Verwertung der Bilder eine Eigentumsverletzung dar, wenn das Gebäude von dem Grundstück aus, auf dem es sich befindet, gefilmt wird, denn das Eigentum kann auch dadurch beeinträchtigt werden, dass es, ohne beschädigt zu werden, in einer dem Willen des Eigentümers widersprechenden Weise genutzt wird (…). Gemäß § 903 BGB bleibt dem Grundstückseigentümer die Entscheidung darüber vorbehalten ob und in welchem Umfang er den Zugang zu seinem Grundstück eröffnet. Dies kann vollständig oder eingeschränkt geschehen. Hier gestattete die Klägerin den Zutritt zu ihren Anlagen unstreitig nur zur Inanspruchnahme der von ihr angebotenen Transportleistungen. Zu anderen Zwecken, wie bspw. Filmaufnahmen, gewährt sie den Zutritt nur im Einzelfall. Dass die Klägerin ihr Grundstück nicht für die filmische Dokumentation von strafbaren Handlungen im Moment ihrer Begehung zur Verfügung stellte, die sich noch dazu gegen ihr Eigentum richten, liegt auf der Hand […]

Der Produzent versucht zu begründen, dass der Hautaugenmerk auf den illegalen Sprühaktionen liegen würde. Das überzeugte das Landgericht nicht.

Der BGH hebt in seiner Argumentation nicht darauf ab, ob das Gebäude um seiner selbst willen oder aus anderen Gründen im Bild festgehalten wird. Darauf kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Eigentümer die Abbildungen in gleicher Art und Weise anfertigen oder verwerten könnte. Die Befugnis des Eigentümers, die Verwertung von Abbildungen seines Eigentums unter bestimmten Umständen unterbinden zu können, entspringt ausschließlich seiner absolut geschützten Rechtsposition als Eigentümer. Entscheidend ist allein, wo die im Streit stehenden Filmaufnahmen entstanden, nämlich auf dem Grundstück des Eigentümers oder außerhalb davon.

Die Aufnahmen müssten daher auch nicht zum Zwecke der der Verwertung angefertigt werden. Die Aufnahme an sich ist nämlich bereits nicht gestattet. Die anschließende Verwertung der ungenehmigten Bilder vertieft die Eigentumsbeeinträchtigung nur noch. Interessanterweise spricht das Landgericht „praktische Schwierigkeiten“ für Fotografen und Verwerter von Fotografien / Videos an.

Diese Sichtweise mag zwar insofern auf praktische Schwierigkeiten stoßen, als der Verwerter im Regelfall nicht weiß oder wissen kann, von welcher Position aus die Fotografien aufgenommen wurden und ob der Grundstückseigentümer der Herstellung der Bilder zugestimmt hat. Hier besteht aber die Besonderheit, dass den verwendeten Sequenzen schon aufgrund ihres Inhalts – Straftaten zu Lasten der Klägerin – auf der Stirn geschrieben stand, dass sie ohne ihre Zustimmung gedreht wurden. Das gilt erst recht bei zusätzlicher Berücksichtigung der Übergabemodalitäten durch anonyme Zuspielung aus der Szene.

Keine Duldungspflichten für die BVG

Auch wurde keine Duldungspflicht nach § 1004 Absatz 2 BGB gesehen. Zunächst einmal war die reine Behauptung des Produzenten, er hätte Nutzungs- und Verwertungsrechte an den Graffiti, wirkungslos. Weiter ergäbe sich auch keine Duldungspflicht aus Art. 5 Absatz 3 GG (Kunstfreiheit), so das Landgericht, da die Reichweite der Gewährleistung von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums (BverfG NJW 1984,1293) erstrecke. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Film selbst als Kunst verstanden werden kann, ergibt sich nichts anderes.

Die Eigentumsgarantie, aus der die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch ableitet, steht der Kunstfreiheit als ein anderes Freiheitsrecht gleichberechtigt gegenüber. Nach den vom GG getroffenen Wertungen tritt sie nicht prinzipiell hinter die Kunstfreiheit zurück (…). Das gilt umso mehr, als es hier nur um die Modalitäten der Kunstausübunq geht; denn dem Beklagten zu 1) ist es weder verboten, einen Film über Graffitis im öffentlichen Nahverkehr und die dazugehörige Szene herzustellen und der Öffentlichkeit zu präsentieren, noch, Bilder von bemalten U-Bahn-Zügen zu zeigen. Er kann solche Aufnahmen weiterhin verwenden, sofern sie an Standorten außerhalb des Eigentums der Klägerin entstanden, wie es bspw. bei den Bildern der Fall ist, die in der eingangs beschriebenen Sequenz von erhöhter Warte aus auf Überführungen der Bahngleise gedreht wurden.

Zuletzt greift auch die Pressefreiheit aus Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG nicht. Das Eigentumsinteresse der BVG überwiegt nach Ansicht des Landgerichts das Interesse des Beklagten, die Öffentlichkeit über Probleme Rund um Graffiti zu informieren.

Ergänzend: Auskunftsanspruch

Der BVG steht ein Auskunftsanspruch über den Umfang der kommerziellen Nutzung aus §§ 242 in Verbindung mit § 823 BGB zu. Dies begründet sich auf die Unkenntnis des Klägers über den Umfang des Anspruchs auf Schadensersatz oder Bereicherung. Die Auskunft verhilft daher zur Klarheit, damit der Anspruch entsprechend geltend gemacht werden kann.

4 Gedanken zu „Eigentumsbeeinträchtigung durch Filmaufnahmen von Grundstück aus“

  1. Jetzt haben wir den Salat und der hat auch schon einen Namen:
    „Das Recht am grundstücksinternen Bild der eigenen Sache“
    so Flöter/Königs in der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZUM 5/2012
    Der vollständige Titel des Aufsatzes lautet: „Verletzung des Rechts am grundstücksinternen Bild der eigenen Sache und Übertragbarkeit der dreifachen Schadensberechnung auf deliktische Schadensersatzansprüche aus Eigentumsverletzung“
    MfG
    Johannes

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  2. Die Autoren sind mir nicht unbekannt :)
    Den Artikel werde ich mir einmal näher anschauen müssen. Nimmt ja direkten Bezug auf die Verbundsache der Urteile vom BGH – Preußische Schlösser und Gärten.

    Danke für den Hinweis!

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  3. Hallo,
    wie würde sich denn der Sachverhalt darstellen, wenn die Fotos oder Filmaufnahmen auf einer für landwirtschaftliche Nutzung gepachteten Fläche enstehen und durch den Pächter angefertigt werden. Das Urheberrecht kann sicherlich nur bedingt herangezogen werden, da der Eigentümer nicht der Urheber, der durch die Natur entstandenen Dinge sein kann. Der Pächter der landwirtschaftlichen Fläche hat das Recht der Fruchtziehung. Bezieht sich die Fruchtziehung nicht auch auf die immateriell hervorgebrachten Früchte der Pachtfläche in Form der Verwertung von Landschaftschafts-, Tier-, Pflanzen- und Obstfotos und Videos.
    Insbesondere dann, wenn diese dazu dienen, für das Thema Biodiversität zu sensibilisieren und unentgeltlich Schulen und Bildungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.

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