Bettina Wulff und Barbara Streisand: Zeit für ein Kennenlernen?

Bettina Wulff hat ein Buch geschrieben. Und Günther Jauch und Google vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung verklagt.

Jauch hatte in seiner Sendung vom 18. Dezember 2011 in einer Frage einen Bericht der „Berliner Zeitung“ erwähnt. Darin waren Gerüchte kolportiert worden, wonach die „Bild“-Zeitung eine Geschichte über das Vorleben Bettina Wulffs drucken könnte. Günther Jauch hat offenbar bereits außergerichtlich eingelenkt und wird die eingereichte Klage wegen Äußerungen in einer seiner Sendungen voraussichtlich anerkennen, jedoch explizit ohne ein irgendwie geartetes Fehlverhalten einzugestehen.

Mit dem Vorgehen gegen Google will Frau Wulff erreichen, dass bestimmte Begriffe bei der Google-Suche nicht mehr mit ihrem Namen verknüpft werden. Seit einiger Zeit bietet Google die so genannte Autovervollständigung an. Beginnt man, in das Google-Suchfeld Begriffe einzugeben, so vervollständigen sich einzelne Buchstaben und Wortteile zu einer ganzen Kombination von Wörtern automatisch, nach denen dann gesucht werden kann. Bei einer Suche mit meinem Namen stellt sich die Funktion Autovervollständigung zum Beispiel wie folgt dar:

Google zufolge basiert diese Funktion auf bereits in der Vergangenheit durchgeführte populäre Suchen. Für meinen Fall bedeutet dies somit wohl, dass viele Menschen auch mit dem Wort Rechtsanwalt suchen, wenn sie meinen Namen googeln.

Haftet Google für seine Suchvorschläge?

Die Klage von Bettina Wulff gegen Google beinhaltet somit die interessante rechtliche Frage, ob Google für diese Autovervollständigungsfunktion verantwortlich gemacht werden kann oder ob es sich dabei um fremde Inhalte handelt, für die ein Anbieter grundsätzlich nicht haftet.

Thomas Stadler stellt sich in einem seiner Blogartikel auf den Standpunkt, dass Google für die Autovervollständigungsfunktion bereits deswegen nicht haftbar gemacht werden könne, weil dies voraussetze, dass die Kombination aus den beanstandeten Worten in jedem Fall unzulässig sein müsse und es keine vorstellbare rechtmäßige Verwendungsmöglichkeit dieser Suchbegriffe geben dürfe. Dies sei aber unter anderem deswegen nicht der Fall, weil die von Google vorgeschlagenen Suchbegriffe unter anderem auch zu aktueller Berichterstattung führten, die sich zum Beispiel mit dem Vorgehen von Frau Wulff gegen die Gerüchte beschäftigen, somit grundsätzlich zulässige Berichterstattung betrieben. Er verweist auf ein Urteil des OLG Hamburg vom 26.5.2011, Az.: 3 U 67/11. Danach kann es Google nicht untersagt werden, bestimmte Suchergebnisse anzuzeigen, die im Zusammenhang mit der Person des Klägers die Begriffe “Immobilie” und “Betrug” bzw. “Machenschaften” enthielten.

Jens Ferner äußert sich zu dem Fall ähnlich und verweist auf ein Urteil des OLG München vom 29.9.2011, Az.: 29 U 1747/11, welches sich ebenfalls mit den Suchergebnissen von Google im Rahmen der so genannten „Auto-Suggest-Funktion“ beschäftigte und einen Löschungsanspruch in Bezug auf die Suchvorschläge „… betrug” und „… abzocke” ablehnt.

Beide Gerichte lehnen eine Haftung vereinfacht gesagt mit dem Argument ab, dass es sich bei den Suchergebnissen und bei den Vorschlägen im Rahmen der so genannten Autovervollständigungsfunktion ersichtlich um Ergebnisse eines automatischen Auswertungsvorgang fremder Inhalte handele.

Demgegenüber weist Thorsten Feldmann zu Recht darauf hin, dass die Google-Vorschläge mehr als bloße Links sind, wie sie dem Suchenden sonst nach einer Google Suche vorgeschlagen werden. Feldmann gibt zu bedenken, dass der Nutzer mit den eigentlichen Suchergebnissen und den so genannten „Snippets“ findet, was er sucht, mit Google-Suggest allerdings erst darauf gebracht werde, wonach er suchen wollen könnte.

Was sind die Google-Suchvorschläge überhaupt rechtlich?

Unseres Erachtens werden die Hamburger Gerichte daher zu klären haben, was die Suchvorschläge bei Google überhaupt darstellen. Sind sie tatsächlich die bloße Darstellung fremden Inhalts oder nicht vielmehr ihrerseits eine eigene Tatsachenmitteilung von Google? Gegen die Qualifikation als fremder Inhalt spricht der Umstand, dass die Suchvorschläge gerade nicht auf Suchergebnissen, also Inhalten im Netz basieren, sondern nach eigenen Angaben Googles lediglich auf durchgeführten Suchanfragen. Es liegt daher näher, die Suchvorschläge Googles als Sachmitteilung darüber zu qualifizieren, dass aktuell viele Nutzer eine bestimmte Kombination von Suchbegriffen bei Google eingeben und sich für ein bestimmtes Thema bzw. bestimmte Zusammenhänge interessieren. Da es sich dabei um das Ergebnis einer Auswertung googleinterner Daten handelt, kommen diese nicht als fremder Inhalt infrage. Denn nur Google kennt diese Daten. Wenn es sich also bei der Autovervollständigungsfunktion um für Google eigene Inhalte handelt, muss Google dafür auch nach herkömmlichen Grundsätzen haften.

Es bleibt natürlich die Frage, inwieweit die Tatsachenmitteilung, nämlich dass viele Benutzer ihren Namen offenbar mit dem Rotlichtmilieu in Verbindung bringen, rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht von Bettina Wulff eingreift. Man könnte hier die Gegenfrage stellen, ob es ein schutzbedürftiges Interesse daran gibt, zu erfahren, welche schlüpfrigen Fantasien Googlenutzer als Grundlage für ihre Suchanfragen heranziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass bei der Frage nach der Zulässigkeit einer bestimmten Äußerung vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit nicht nach deren Sinnhaftigkeit gefragt werden darf.

Der Fall bleibt daher in jedem Fall spannend. Die Klage von Bettina Wulff ist unseres Erachtens jedenfalls nicht von vornherein so aussichtslos, wie es so mancher Kollege darstellt.

Mittlerweile kommt auch Kritik an der Verteidigungsstrategie von Google auf. Insbesondere bei Suchbegriffen, die mit Softwarepiraterie zu tun haben könnten oder den Jugendschutz gefährden, hat Google in der Vergangenheit offenbar bestimmte Begriffe blockiert. Die Behauptung Googles, dass es sich bei der Autovervollständigungsfunktion um ein objektives Ergebnis eines Algorithmus handele, in das nicht eingegriffen werde, stimmt daher nicht. Auch diese Erkenntnisse stützen unsere These, dass die Suchvorschläge nicht fremder, sondern eigener Inhalt von Google sind.

Kennt Frau Wulff Barabra Streisand?

Abgesehen von der juristischen Beurteilung des Falles stellt sich die Frage, ob das Vorgehen von Bettina Wulff gegen die Rotlichtgerüchte tatsächlich zielführend ist. Denn, wenn diese so haltlos und abwegig sind, wie Bettina Wulff dies behauptet, sollte man solch Unsinn dann auch an sich abtropfen lassen können. Das öffentlichkeitswirksame Vorgehen dürfte die Gerüchteküche dagegen weiter anheizen und zu dem kuriosen Effekt führen, dass noch mehr Google-Suchvorschläge generiert werden, die die von Frau Wulf unerwünschte Verbindung herstellen.

Ob Frau Wulff Barbara Streisand und den gleichnamigen berüchtigten Effekt kennt? Falls nicht, wäre es höchste Zeit.

Wer weiss? Vielleicht macht die ganze Aufmerksamkeit aber auch das geplante Buch für die potentiellen Leser interssanter. Vor diesem Hintergrund könnte die medienwirksame Aktion ganz bewusst zu diesem Zeitpunkt und in diesem Ausmaß durchgeführt worden sein. Andererseits sind die Wulffs auch nicht gerade für schlaue PR bekannt. (la)

(Bild: © Jan Engel – Fotolia.com)

Dieser Beitrag wurde von unserem Gastautor Rechtsanwalt Arno Lampmann verfasst. Er ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Arno Lampmann hält sich für einen großen Teil des Jahres an der Westküste der USA in Eugene, Oregon auf und berät dort amerikanische Kreative, Hersteller und Handelsunternehmen in Bezug auf die Besonderheiten des deutschen Rechts. Seine eigene kreative Energie setzt er zusammen mit seinen Kanzleikollegen im LHR-BLOG in täglichen Berichten zu rechtlichen Themen aus den Bereichen eCommerce-Recht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht sowie Presse- und Medienrecht, aber auch zu Alltäglichem aus der Anwaltskanzlei frei.

3 Gedanken zu „Bettina Wulff und Barbara Streisand: Zeit für ein Kennenlernen?“

  1. Barbra Streisand hat versucht, die Berichterstattung über eine Tatsache – Luftaufnahmen des Anwesens, das unbestritten ihr gehört – zu verbieten. Das war sinnlos und albern und, wie wir gesehen haben, eher kontraproduktiv.

    Frau Wulff versucht, die kontextfreie Verbreitung eines Gerüchts bzw. einer Unwahrheit zu unterdrücken. Das mag einem sinnlos und albern erscheinen, aber wohl nur so lange, wie man selbst nicht in der unangenehmen Lage ist, Opfer übler Nachrede zu sein. Sich dagegen zu wehren ist wohl ihr gutes Recht. Ob es kontraproduktiv sein wird, steht noch nicht fest. Aber ich vermute, auch wenn Google nicht nachgeben sollte, wird die Autovervollständigung den Suchenden dann in erster Linie auf die Berichterstattung über eine Frau führen, die sich gegen die Zerstörung ihres guten Rufs zur Wehr gesetzt hat und den Mut hatte, den Kampf mit offenem Visier zu führen. Auch das kann man als Erfolg werten.

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  2. Wenn bei die Autocomplete-Funktion aufgrund einer böswilligen Verleumdungskampagne bei Ihrem Namen nur „Arno Lampmann Strichjunge“, „Arno Lampmann Stricher“ und „Arno Lampmann Straßenstrich“ anzeigen würde, würden Sie das mit dem „Abtropfenlassen“ vermutlich anders beurteilen.

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