Identifizierende Berichterstattung nach Sturz aus dem Elternhaus untersagt

Eine bekannte Zeitung berichtete – wohl ein wenig zu sensationslüstern – über den Sturz. Neben der Berichterstattung wurden Fotos abgebildet: zwei verpixelte Bilder des Mädchens im Krankentransportstuhl sowie Fotos des Elternhauses mit dem Hinweis „Aus diesem Fenster stürzte das Mädchen“. Zudem wurde suggeriert, das Mädchen habe unter Drogen gestanden.

Das Urteil des LG Saarbrücken (Urteil vom 16.07.2015, Az. 4 O 152/15) fällt eindeutig aus, die Identifizierende Berichterstattung wurde untersagt.

§§ 22 ff. KUG Ausdruck der personalen Selbstbestimmung

Das  Gericht gab an, dass die Verpixelung des Mädchens nicht ausgereicht habe. Es wäre eine potentielle Erkennbarkeit gegeben gewesen. Ein Teil des Auges und der Wange, Kleidung und Schuhe sowie Haarfarbe und Frisur hätten jedenfalls in Verbindung mit dem genannten Alter, Wohnort und dem gezeigten Wohnhaus in dem 700-Seelen Dorf für eine Erkennbarkeit gesorgt.

Eine Einwilligung habe nicht vorgelegen. Auch eine Ausnahme aus § 23 KUG greife nicht. Ein persönlicher Unglücksfall wie der Sturz aus dem Wohnhaus stelle kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte dar. Der Schutz des Privatlebens stehe über dem Sensationsinteresse der Allgemeinheit.

Eingriff in das Recht der persönlichen Ehre durch unwahre Tatsachenbehauptung

Zwar sei in dem Bericht nicht ausdrücklich behauptet worden, das Mädchen habe unter Drogen gestanden. Dies stelle eine falsche Tatsachenbehauptung dar.

Das Gericht rügte richtigerweise, dass die journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt worden seien. Ob ein Polizeisprecher eine privilegierte Quelle sei, wäre bereits äußerst fragwürdig. Zudem hätte man sich im Hinblick auf die dürftigen Informationen vergewissern müssen, ob die Angaben stimmten oder nicht. Der Journalist hätte zudem dem Mädchen oder den Eltern die Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.

Auch konnte der Journalist nicht nachweisen, dass er die Rechte des Mädchens ausreichend abgewogen habe. In den Augen des Gerichts habe er sich keinerlei Gedanken darum gemacht, obwohl die Berichterstattung über eine Minderjährige und die Äußerung, dass sie möglicherweise unter Drogen gestanden habe, erheblich in ihr Persönlichkeitsrecht eingreife.

Journalistische Sorgfaltspflicht

Die Andeutung, dass ein (auch mehrmals als solcher fungierender) Polizeisprecher keine privilegierte Quelle sei, lässt aufhorchen – ist aber konsequent und richtig. Anders als amtliche Pressesprecher der Polizei oder Staatsanwaltschaft darf sich ein Journalist nicht auf die Äußerung eines Beamten verlassen. Als privilegiert gelten regelmäßig nur:

  • Anerkannte Presseagenturen
  • Anerkannte Medien, denen eine fachmännische Recherche unterstellt werden kann
  • Behördliche (amtliche) Mitteilungen
  • (öffentliche) Gerichtsverhandlungen
  • (öffentliche) Parlamentsverhandlungen

Und selbst solche Informationen dürfen nur „in der Regel“ übernommen werden. Dies entbindet nicht von der Pflicht, vor Verbreitung der Nachricht deren presserechtliche Zulässigkeit selbst zu prüfen (so schon OLG Hamburg, Urteil vom 21.03.2006, Az.: 7 U 134/05).

(© Marco2811 – Fotolia.com)

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