OVG Niedersachsen: Vereinbarkeit von Videoüberwachung und Datenschutz

Leitsätze des Gerichts:

1. Der Eingangsbereich und die Treppenaufgänge zu Geschäftsräumen eines Bürogebäudes sind öffentlich zugängliche Räume im Sinn des § 6b Abs. 1 BDSG.

2. Die Videoüberwachung des Eingangsbereichs und der Treppenaufgänge zu den Geschäftsräumen eines Bürogebäudes durch festinstallierte Mini-dome-Kameras ohne Zoom-Funktion und die kurzfristige Speicherung der Aufnahmen im sogenannten black-box-Verfahren kann zur Wahrnehmung berechtigter Interessen – hier zur Verhinderung von Straftaten – nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG erforderlich sein.

OVG Lüneburg

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 11 LC 114/13

Verkündet am: 29.09.2014

OVG Lüneburg 11. Senat, Urteil vom 29.09.2014, 11 LC 114/13

§ 1 Abs 2 Nr 3 BDSG, § 2 Abs 4 S 1 BDSG, § 3 Abs 7 BDSG, § 3 Abs 2 BDSG, § 3 Abs 1 BDSG, § 38 Abs 6 BDSG, § 38 Abs 5 BDSG, § 4a Abs 1 BDSG, § 4e S 1 Nr 4 BDSG, § 6b Abs 5 BDSG, § 6b Abs 3 BDSG, § 6b Abs 2 BDSG, § 6b Abs 1 BDSG, § 22 Abs 1 S 1 DSG ND

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg – 1. Kammer – vom 12. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der beklagte Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen wendet sich mit seiner Berufung dagegen, dass das Verwaltungsgericht die von ihm gegenüber der Klägerin verfügte Ausschaltung der Videokameras der Klägerin sowie die Löschung der auf dem Videoserver gespeicherten Videobilder als rechtswidrig angesehen hat.

Die Klägerin ist Eigentümerin und Verwalterin eines mehrgeschossigen Bürogebäudes (bestehend aus Alt- und Neubau mit jeweils einem Eingang) in D., E.straße, in dem sich unter anderem ihr Verwaltungssitz befindet. Die übrigen in dem Gebäude befindlichen Büros sind an Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater sowie an eine Förderbank (G.) und andere Unternehmen (insgesamt 13) vermietet. Im Kellergeschoss befinden sich Lagerräume und Räume für Infrastruktur (Serverräume) sowie ein Getränkeautomat; dort befanden sich in der Vergangenheit zeitweise auch mehrere Stühle. Wohnräume gibt es in dem Gebäude nicht.

Nachdem am 16. Dezember 2009 aus dem Büro der im Erdgeschoss des Altbaus befindlichen Steuerberatungskanzlei H. und Partner sechs Notebooks gestohlen worden waren, brachte die Klägerin Anfang 2010 deshalb und wegen vorangegangener drei Fälle von Graffiti-Vandalismus zehn Videokameras an: im Einzelnen in den beiden Eingangsbereichen des Altbaus und des Neubaus (2), in dem ersten und zweiten Obergeschoss (OG) des Altbaus und des Neubaus (jeweils 1, insgesamt 4), in dem dritten Obergeschoss des Neubaus (1), im Vorraum des Treppenhauses im Kellergeschoss (KG) des Altbaus (1) und in den beiden dort befindlichen Serverräumen (jeweils 1). Eine weitere zunächst im Eingangsbereich zu den Büroräumen der G. installierte Kamera wurde auf Verlangen dieser Bank bereits im August 2010 deinstalliert. Die Kameras werden im sogenannten black box-Verfahren als Mini-dome-Videokameras betrieben, die fest installiert und fest auf einen Sichtbereich ohne Zoom-Funktion ausgerichtet sind. Sie schalten sich (nur) bei Bewegungen im Treppenhaus automatisch ein. Die Aufnahmen werden auf einer Festplatte gespeichert und automatisch überschrieben, d. h. gelöscht, wenn kein Bedarf mehr für Sichtung besteht, spätestens nach 10 Tagen. Die Videoaufnahmen können bei Bedarf auf PC-Monitore übertragen werden. Passwortgesicherten Zugang haben lediglich das Unternehmen, das die Videoanlage installiert hat, und ein von der Klägerin bestellter betrieblicher Datenschutzbeauftragter. Hinweisschilder an den beiden Eingangstüren des Gebäudes weisen in Textform und mittels eines Symbols auf die Videoüberwachung hin und benennen die verantwortliche Stelle.

Nachdem dem Beklagten die Installation der Kameras bekannt geworden war, entwickelte sich zwischen den Beteiligten ein Schriftverkehr zur Funktionsbeschreibung und zur rechtlichen Grundlage für die Videoüberwachung. Im Mai 2011 fand eine Kontrolle durch den Beklagten im Bürogebäude statt, ohne dass eine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte.

Daher forderte der Beklagte die Klägerin mit der streitgegenständlichen Verfügung vom 19. Oktober 2011 auf der Grundlage von § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 EUR auf, die sieben Videoüberwachungskameras (mit den internen Bezeichnungen: 1. OG Altbau, 2. OG Altbau, Eingang Neubau, 1. OG Neubau, 2. OG Neubau, 3. OG Neubau und KG Treppe) auszuschalten und zu deinstallieren, die im Bereich des Eingangs der Steuerberatungskanzlei betriebene Videoüberwachungskamera (interne Bezeichnung: Eingang Altbau) auszuschalten sowie die auf dem Videoserver gespeicherten Videobilder der vorgenannten Kameras zu löschen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, die Anlage verstoße gegen § 4 Abs. 1 BDSG, da weder eine Einwilligung der Betroffenen noch die Voraussetzungen des § 6b BDSG gegeben seien. Als Rechtfertigung der Videoüberwachung komme das Hausrecht der Klägerin nicht in Betracht. Es fehle mit Blick auf die vorgetragenen Anlässe des Diebstahls und der Graffitis insgesamt an der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Anlage gerade für die Klägerin als Vermieterin des Gebäudes, sodass nur die Abschaltung und Deinstallation der sieben Kameras im Treppenhaus ermessensgerecht und verhältnismäßig sei. Hinsichtlich der Kamera im Eingangsbereich des Altbaus sei zurzeit hingegen lediglich der weitere Betrieb zu untersagen, nicht aber die Deinstallation anzuordnen. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass angesichts des Diebstahls der Notebooks der Betrieb dieser Kamera durch die Steuerberatungskanzlei als Mieterin datenschutzrechtlich zulässig sei.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Vorlage der von ihr eingeholten gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. J. I. vom 6. Oktober 2011 im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass die von dem Beklagten verfügten Maßnahmen nicht von der Ermächtigung des § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG gedeckt seien. Bis auf die G. seien alle Mieter des Bürogebäudes mit der Videoüberwachung einverstanden. Ein Verstoß gegen § 6b BDSG liege nicht vor. Nach Geschäftsschluss sei das gesamte Gebäude nicht mehr öffentlich zugänglich. Auch während der Öffnungszeiten seien keine Persönlichkeitsrechte von Besuchern oder Mitarbeitern verletzt. Von der Videoüberwachung werde nur ein sehr beschränkter Personenkreis betroffen, der sich nur kurz dort aufhalte. Die Videoüberwachung sei zur Wahrnehmung des Hausrechts und zur Wahrung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich. Es sei bereits zu Diebstählen gekommen, vor denen die Mieter geschützt werden müssten. Das Kellergeschoss sei nicht öffentlich zugänglich und solle von Besuchern nicht aufgesucht werden. Das black box-Verfahren sei ein sehr schonendes Überwachungsverfahren. Die streitgegenständlichen Maßnahmen des Beklagten seien unverhältnismäßig. Dieser hätte geringere Eingriffe, etwa die zeitliche Beschränkung der Videoüberwachung wählen können und müssen. Er habe sein Ermessen falsch ausgeübt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. Oktober 2011 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und zur Begründung ausgeführt, dass die Eingriffsvoraussetzungen des § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG gegeben seien und er sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe.

Mit Urteil vom 12. März 2013 (juris), auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid des Beklagten aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zum einen sei die Beseitigung der Kameras als technische Einrichtung von der allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 38 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BDSG nicht als Rechtsfolge vorgesehen. In inaktivem Zustand seien die ausgeschalteten Kameras als sogenannte Dummies nicht rechtswidrig, weil ein „Beobachten“ im Sinne des § 6b BDSG nicht gegeben sei und mithin Daten nicht erhoben würden. Etwaige Abwehransprüche, die sich aus einem durch nicht eingeschaltete oder funktionsunfähige Kameras erzeugten unzulässigen Überwachungsdruck ergeben könnten, seien von den direkt Betroffenen zivilrechtlich durchzusetzen. Zum anderen könne das Gebot, die installierten Kameras zeitlich unbeschränkt abzuschalten, nicht aufrechterhalten werden. Zwar sei eine Untersagung der Benutzung von Videokameras grundsätzlich durch die Ermächtigungsgrundlage des § 38 Abs. 5 in Verbindung mit § 6b Abs. 1 BDSG gedeckt. Diese Ermächtigungsgrundlage biete nur die Grundlage für die Untersagung von Videoaufnahmen in öffentlich zugänglichen Räumen. Die Treppenaufgänge im Bürogebäude der Klägerin seien nur während der üblichen Öffnungszeiten der vermieteten Büros als öffentlich zugänglich anzusehen, nicht aber außerhalb dieser Zeiten. Folge dessen sei die vollständige Aufhebung des uneingeschränkt verfügten Nutzungsverbotes der Kameras, da die erforderliche Ermessensausübung allein dem Beklagten als zuständiger Aufsichtsbehörde vorbehalten sei und nicht durch das Gericht erfolgen könne. Das Nutzungsverbot auch für Zeiten der nicht öffentlichen Zugänglichkeit der Treppenaufgänge lasse sich nicht auf § 38 Abs. 5 in Verbindung mit § 28 BDSG stützen, da die Videoüberwachung nicht unter den Regelungsbereich der letzteren Vorschrift falle, die allein die Verarbeitung von Daten über Personen in Erfüllung eigener Geschäftszwecke zum Gegenstand habe. Da das Gebot, die gespeicherten Bilder der Videoüberwachung zu löschen, als unselbständige Folge des Aufnahmeverbots ausgesprochen worden sei, sich ein zeitlich unbeschränktes Aufnahmeverbot aus den datenschutzrechtlichen Bestimmungen indes nicht herleiten lasse, könne schließlich die von dem Beklagten verfügte Löschung der legal möglichen Aufnahmen nicht verlangt werden. Auf die Erlaubnisvoraussetzungen des § 6b Abs. 1 BDSG komme es im Ergebnis nicht an.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, soweit die Klägerin die mit dem streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausschaltung der acht Videokameras sowie die Löschung der gespeicherten Bilder angefochten hat. Zur Begründung seiner derart eingeschränkten Berufung trägt der Beklagte vor, der Streitgegenstand sei entgegen der Ansicht der Klägerin teilbar, sodass seine eingeschränkte Berufung nicht unzulässig sei. In der Sache weist er darauf hin, dass die Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Videoüberwachung in nicht öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts dem Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes unterfalle. Aus §§ 1 Abs. 1 und 4 Abs. 1 BDSG lasse sich der Grundsatz herleiten, dass auch die Videoüberwachung in derartigen Räumen nur aufgrund einer datenschutzrechtlichen Erlaubnisnorm zulässig sei, an der es hier fehle. Außerhalb der Öffnungszeiten komme lediglich § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG in Betracht, dessen Voraussetzungen selbst das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht für gegeben halte. Der Betrieb der Videokameras während der Geschäftszeiten der Mieter der Klägerin sei nur nach Maßgabe des § 6b BDSG zulässig, dessen Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt seien. Wegen des daher insgesamt unerlaubten Betriebs der Videoüberwachungsanlage sei die Löschung der auf dem Videoserver der Klägerin gespeicherten Daten gemäß §§ 35 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BDSG zu Recht angeordnet worden. Angesichts einer fehlenden Alternative zur Unterbindung des Betriebs der Kameras sei sein Ermessen auf Null reduziert.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin die mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 verfügte Ausschaltung der Videokameras sowie die Löschung der auf dem Videoserver gespeicherten Videobilder angefochten hat.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zu verwerfen,

hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Hauptantrages trägt sie vor, die Beschränkung der Berufung sei nicht zulässig, weil sich die Ermessenserwägungen des Beklagten auf den gesamten Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides bezögen und der Streitgegenstand deshalb nicht teilbar sei. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil und hebt hervor, dass die Vorschrift des § 28 BDSG durch § 6b BDSG als eng auszulegende und nicht analogiefähige speziellere Norm verdrängt werde, sodass die Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Bereich (Eingangsbereiche im Erdgeschoss und in den Obergeschossen) nicht an der erstgenannten Norm zu messen sei. Die Zulässigkeit der Videoüberwachung im nicht öffentlichen Bereich (Kellervorraum) unterfalle nicht dem Regime des Bundesdatenschutzgesetzes, sondern bedürfe einer bereichsspezifischen Normierung, an der es hier fehle. Soweit durch eine derartige Überwachung die Rechte Dritter betroffen seien, handele es sich um nach den allgemeinen Regelungen zu beurteilende Eingriffe in Persönlichkeitsrechte, die lediglich zivilrechtliche Ansprüche der Betroffenen sowie im Einzelfall gegebenenfalls auch ein auf die polizeirechtliche Generalklausel gestütztes Eingreifen der Polizeibehörden nach sich zögen. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen des § 6b BDSG und des§ 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG gegeben, da die Videoüberwachung sowohl während als auch außerhalb der Geschäfts- und Öffnungszeiten ihrer Mieter zur Wahrung ihres, der Klägerin, Hausrechts und ihrer berechtigten Interessen als Eigentümerin und Verwalterin des Bürogebäudes erforderlich sei und schutzwürdige Interessen Betroffener nicht überwögen. Zudem habe der Beklagte sein ihm nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG zustehendes Ermessen sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Die Ermessenserwägungen, die dieser für den Erlass des angefochtenen Bescheides insgesamt angestellt habe, könnten nicht ohne Weiteres auf den Teil des Verwaltungsakts, der nunmehr allein Gegenstand des Berufungsverfahrens sei, bezogen werden. In der Sache habe der Beklagte bei der Ermessensentscheidung ihre grundrechtlich geschützte Position als Eigentümerin verkannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 29. April 2014 gewesen sind.

Gründe

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

Im Berufungsverfahren sind aufgrund des eingeschränkten Berufungsantrages des Beklagten lediglich die Fragen, ob dieser in seiner streitgegenständlichen Verfügung vom 19. Oktober 2011 zu Recht die Ausschaltung der acht Videokameras und die Löschung der auf dem Videoserver gespeicherten Videobilder dieser Kameras angeordnet hat, zu beantworten. Nicht entscheidungserheblich in der Berufungsinstanz ist demgegenüber die – von dem Verwaltungsgericht in den Vordergrund seiner Ausführungen gerückte – Frage, ob der Beklagte von der Klägerin zu Recht die Deinstallation der Videokameras fordern kann.

Die Beschränkung der Berufung seitens des Beklagten ist zulässig. Der Beklagte als Berufungsführer ist – ebenso wie der Kläger im umgekehrten Fall – Herr des Berufungsverfahrens und im Fall eines trennbaren Streitgegenstandes frei in seiner Entscheidung, ob er ein stattgebendes Urteil insgesamt angreift oder sich teilweise mit der Stattgabe der Klage seitens des Verwaltungsgerichts zufrieden gibt und nur teilweise eine Abänderung erstrebt. Ein solcher Fall eines trennbaren Streitgegenstandes liegt hier vor. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 19. Oktober 2011 regelt – neben der Löschung der Videobilder der von dem Bescheid erfassten Videokameras – zum einen die Deinstallation von sieben Kameras und zum anderen die Ausschaltung dieser Kameras und einer weiteren Kamera. Die Deinstallation und die Ausschaltung betreffen unterschiedliche Regelungsgegenstände und können getrennt voneinander betrachtet werden.

Die derart eingeschränkte Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die in der streitgegenständlichen Verfügung angeordnete Ausschaltung der acht Videokameras mit den Bezeichnungen Eingang Altbau, 1. OG Altbau, 2. OG Altbau, Eingang Neubau, 1. OG Neubau, 2. OG Neubau, 3. OG Neubau und KG Treppe sowie die auf diese Kameras bezogene Forderung des Beklagten auf Löschung der gespeicherten Daten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die von dem Beklagten geforderte Ausschaltung der Videokameras in dem Bürogebäude der Klägerin ist § 38 Abs. 5 BDSG. Nach Satz 1 dieser Bestimmung kann die Aufsichtsbehörde zur Gewährleistung der Einhaltung dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten oder technischer oder organisatorischer Mängel anordnen. Gemäß Satz 2 dieser Norm kann sie zudem bei schwerwiegenden Verstößen oder Mängeln die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung oder den Einsatz einzelner Verfahren untersagen, wenn die Verstöße oder Mängel nicht in angemessener Zeit beseitigt werden. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Beklagte ist zwar gemäß § 38 Abs. 6 BDSG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1 NDSG Aufsichtsbehörde, der Betrieb der acht streitgegenständlichen Videokameras in dem Bürogebäude steht aber im Ergebnis in Einklang mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Ein Verstoß der Klägerin gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen wegen des Betriebs der streitgegenständlichen Kameras und der Speicherung der auf diese Weise gesammelten Daten liegt nicht vor. Das Bundesdatenschutzgesetz ist anwendbar (dazu I.), den Anforderungen des § 6b BDSG ist Genüge getan (dazu II.).

I. Die Videoüberwachung in dem Geschäfts- und Bürogebäude der Klägerin und die Speicherung der dabei gewonnenen Daten unterfällt dem Regelungsregime des Bundesdatenschutzgesetzes.

Das Bundesdatenschutzgesetz ist anwendbar, wenn personenbezogene Daten Gegenstand einer vom Gesetz geregelten Phase der Datenverarbeitung sind. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG gilt dieses Gesetz für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch nicht-öffentliche Stellen, soweit sie die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeiten, nutzen oder dafür erheben. Personenbezogene Daten sind gemäß § 3 Abs. 1 BDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person; letztere wird als Betroffener legaldefiniert. Automatisierte Verarbeitung wird in § 3 Abs. 2 BDSG als Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen bezeichnet. Nicht-öffentliche Stellen sind gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG neben natürlichen auch juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, die nicht hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Fotos und Videoaufnahmen im Rahmen einer Videoüberwachung sind grundsätzlich personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG. Der Personenbezogenheit von Videoaufnahmen steht insbesondere nicht entgegen, dass im Fall der Überwachung öffentlich zugänglicher Räume regelmäßig nur ein ganz geringer Prozentsatz des Bildmaterials tatsächlich zur Identifizierung von Personen genutzt wird. Entscheidend ist, dass der Zweck der Videoüberwachung gerade darin besteht, die auf den Bildern festgehaltenen Personen zu identifizieren, wenn die für die Verarbeitung Verantwortlichen dies für erforderlich halten (Buchner, in: Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl. 2014, § 3 Rdnr. 7, 19; Dammann, in: Simitis, BDSG, 7. Aufl. 2011, § 3 Rdnr. 4, 66). Diese personenbezogenen Daten werden mittels einer Datenverarbeitungsanlage von der Klägerin als nicht-öffentliche Stelle im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG erhoben und bei Bedarf verarbeitet und genutzt. Daher ist die Klägerin die für die Videoüberwachung verantwortliche Stelle gemäß § 3 Abs. 7 BDSG.

II. Die Videoüberwachung und die Speicherung des dabei gewonnenen Bildmaterials durch die Klägerin stehen in Einklang mit den datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Ungeachtet der Frage, ob dieser „Verarbeitungsrahmen“ (so etwa Sokol, in: Simitis, a.a.O., § 4 Rdnr. 3) im rechtstechnischen Sinn als klassisches „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ charakterisiert werden kann, bedarf die Datenerhebung und -verarbeitung einer besonderen Rechtfertigung entweder in Form einer wirksamen Einwilligung durch den Betroffenen (dazu 1.) oder durch eine Rechtsvorschrift (dazu 2.).

1. Eine wirksame Einwilligung, die den Anforderungen des § 4a Abs. 1 BDSG genügt, durch die von der Videoüberwachung und -speicherung der Klägerin Betroffenen liegt nicht vor.

Von der Videoüberwachung betroffen sind alle diejenigen Personen, die das Büro- und Geschäftsgebäude der Klägerin betreten und allein durch das Betreten des Gebäudes in das Blickfeld der Videokameras gelangen. Art. 2 lit. h) EG-DSRl – deren Umsetzung in nationales Recht § 4a BDSG dient – definiert die Einwilligung der betroffenen Person als jede Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass personenbezogene Daten, die sie betreffen, verarbeitet werden. Eine derartige Willensbekundung der Betroffenen ist hier nicht gegeben. Zwar weist die Klägerin in den Eingangsbereichen des Gebäudes auf Schildern auf die Videoüberwachung hin. Daraus kann indes nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass jeder Betroffene allein durch das Betreten des Gebäudes konkludent in die Datenerhebung und -verarbeitung seiner Bildaufnahme einwilligt. Eine pauschale Einwilligung ist nicht wirksam. Zudem kann es bei Betroffenen an der erforderlichen Einwilligungsfähigkeit fehlen, etwa bei Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.

Schließlich kommt eine mutmaßliche Einwilligung nur ausnahmsweise dort in Betracht, wo der Gesetzgeber in einer dem Bundesdatenschutzgesetz vorgehenden Regelung diese Möglichkeit ausdrücklich zulässt. Solche auch eine mutmaßliche Einwilligung vorsehenden Vorschriften existieren mitunter für öffentliche Stellen (vgl. etwa § 14 Abs. 2 Nr. 3 BDSG und § 7 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG), sie beziehen sich aber nicht auf den hier vorliegenden Lebenssachverhalt. Daher verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass eine konkludente, stillschweigende oder mutmaßliche Einwilligung nicht ausreicht (Simitis, in: Simitis, a.a.O., § 4a Rdnr. 44 m.w.N.).

2. Die von der Klägerin vorgenommene Videoüberwachung mittels der acht Kameras und die gleichzeitige Speicherung der erhobenen Bilddaten ist durch die gesetzliche Norm des § 6b BDSG gerechtfertigt.

§ 6b BDSG verdrängt für die hier vorliegende Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume als abschließende lex specialis (bereichsspezifische Vorschrift, vgl. hierzu Simitis, in: Simitis, a.a.O., § 28 Rdnr. 5) die allgemeinere Vorschrift des § 28 BDSG. Die – selbst für Sachkundige schwer verständliche (so Taeger, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 6b Rdnr. 2 ff. und Simitis, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 3, jeweils m.w.N.) – Vorschrift des § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG betrifft zudem lediglich unter anderem die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke. Die Klägerin als Eigentümerin und Verwalterin des Bürogebäudes und Vermieterin der Büroräume verfolgt mit der Videoüberwachung gegenüber den Betroffenen keine eigenen Geschäftszwecke.

Nach § 6b BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) unter näher definierten alternativen Voraussetzungen zulässig (§ 6b Abs. 1 BDSG). Die Verarbeitung und Nutzung derartiger Daten ist dabei unter in Abs. 3 dieser Vorschrift näher bestimmten Bedingungen erlaubt. Ungeachtet der Frage, ob § 6b BDSG systemkonform ist (vgl. hierzu etwa Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl. 2012, § 6b Rdnr. 3 m.w.N.), bestimmt diese Vorschrift in Abs. 1 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine zulässige Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen und regelt in Abs. 3 unter inhaltlicher Wiederholung dieser Voraussetzungen die Verarbeitung und Nutzung der im Wege dieser Videoüberwachung erhobenen Daten. Die Absätze 2 und 4 dieser Vorschrift ergänzen diese Bestimmungen durch verfahrensrechtliche Regelungen zur Sicherstellung der Transparenz für die von der Videoüberwachung Betroffenen, während Abs. 5 eine gesonderte Regelung zur Löschung derartig gespeicherter Daten enthält.

Diese Norm ist verfassungsrechtlich unbedenklich (dazu a) und die Voraussetzungen im Einzelfall liegen vor (dazu b).

a) Der Senat teilt die einzelnen in der Literatur geäußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 6b BDSG nicht. Diese Bedenken werden im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip und speziell der verfassungsmäßigen Schranke des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung abgeleiteten Gebote der Normenklarheit und Bestimmtheit geäußert (so etwa Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 32 m.w.N.). Der Kritik ist zwar zuzugeben, dass diese Norm insbesondere mit den Begriffsmerkmalen der Wahrnehmung berechtigter Interessen und der Erforderlichkeit sowie des Überwiegens schutzwürdiger Interessen der Betroffenen unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Es reicht aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes aus, wenn die Präzisierung mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden möglich ist (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urt. v. 25.1.2012 – BVerwG 6 C 9.11 -, BVerwGE 141, 329, NordÖR 2012, 413, juris Rdnr. 38 ff, und vorgehend OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010 – 4 Bf 276/07 -, NordÖR 2010, 498 m.w.N.). Letzteres ist hier – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt – der Fall.

b) Die Videoüberwachung der Klägerin unterfällt dem Regelungsgehalt des § 6b BDSG, dessen Anforderungen sie sowohl hinsichtlich der Erhebung der Daten (§ 6b Abs. 1 BDSG) als auch hinsichtlich deren Verarbeitung und Nutzung (§ 6b Abs. 3 BDSG) genügt.

aa) Die Videoüberwachung erfüllt das Merkmal des „Beobachtens“ im Sinne des § 6b BDSG.

Unter diesem Merkmal ist die Sichtbarmachung von Geschehnissen und Personen mit Hilfe dazu geeigneter technischer Einrichtungen von einer gewissen Dauer – und damit eine Form des Überwachens – zu verstehen, wobei streitig ist, ob auch bloße Kamera-Monitor-Systeme als „verlängertes Auge“ ohne nachfolgende Aufzeichnung oder Auswertung des Bildmaterials hierunter fallen (vgl. bejahend Scholz, in Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 63 ff., Zscherpe, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 6b Rdnr. 17 ff.; zweifelnd Gola/Schomerus, a.a.O., § 6b Rdnr. 10, jeweils m.w.N). Da im vorliegenden Fall die Bildaufzeichnungen für einen bestimmten Zeitraum in Form des black box-Verfahrens gespeichert werden, um die Möglichkeit der anlassbezogenen nachträglichen Inaugenscheinnahme der gespeicherten Videoaufnahmen zu gewährleisten, liegt ein Beobachten in diesem Sinne unzweifelhaft vor.

Ebenso ist das Merkmal des Erhebens personenbezogener oder zumindest personenbeziehbarer Daten (zu diesem Erfordernis vgl. etwa Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 66 m.w.N.) erfüllt. Denn für die Bestimmbarkeit und spätere Identifizierung einer Person reicht neben den erkennbaren Gesichtszügen auch das sonstige Körperbild, etwa die Körperhaltung, die Kleidung oder mitgeführte Gegenstände aus. Auf eine tatsächlich erfolgreiche Identifizierung in jedem Einzelfall kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 67 m.w.N.).

bb) Das Bürogebäude der Klägerin ist als öffentlich zugänglicher Raum im Sinne des § 6b Abs. 1 BDSG anzusehen. Hierunter fallen alle Bereiche, die von einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personenkreis betreten und genutzt werden können und ihrem Zweck nach auch dazu bestimmt sind (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 42 m.w.N.). Hier ergibt sich die Zweckbestimmung aus dem erkennbaren Willen der Klägerin als Eigentümerin des Gebäudes und ihrer gewerblichen Mieter als Berechtigte, dass sowohl die Beschäftigten als auch die Kunden und Klienten der in dem Bürogebäude befindlichen Betriebe und Kanzleien sowie etwaige Zulieferer freien Zugang zu dem Gebäude erhalten sollen. Daher sind alle Räume, die von der Videoüberwachung betroffen sind, als öffentlich zugänglicher Raum zu betrachten.

Dies gilt neben den Eingangsbereichen und den Treppenhäusern und Obergeschossen auch für den Vorraum des Treppenhauses im Kellergeschoss. Dieser Vorraum befindet sich zwar im Kellergeschoss, in dem keine Büroräume vorhanden sind, sodass zumindest Kunden und Gäste nach dem Willen der Berechtigten keinen freien Zugang hierzu erhalten sollen. Da sich in diesem Vorraum aber unter anderem Lagerräume und ein Getränkeautomat befinden, haben nach den genannten Kriterien jedenfalls die Inhaber der gewerblichen Betriebe und Kanzleien sowie deren Beschäftigte und gegebenenfalls deren Zulieferer freien Zugang in diesen ebenfalls videoüberwachten Bereich. Eine derart eingeschränkte Zugänglichkeit für eine näher bestimmbare Personenzahl reicht für das Merkmal des öffentlich zugänglichen Raums aus. Etwas anderes könnte gelten, wenn der Vorraum im Kellergeschoss nach den objektiven Gegebenheiten eindeutig gegen Publikumsverkehr abgegrenzt ist; hieran fehlt es. Zudem lässt sich aus dem Umstand, dass zumindest in der Vergangenheit neben dem Getränkeautomat mehrere Stühle aufgestellt waren, die Schlussfolgerung ziehen, dass nach dem mutmaßlichen Willen der Berechtigten auch dieser Bereich einer eingeschränkten Öffentlichkeit zugänglich sein soll.

Es ist unerheblich, dass das Geschäfts- und Bürogebäude der Klägerin nur zu den branchenüblichen Sprech- und Öffnungszeiten geöffnet und außerhalb dieser Zeiten verschlossen ist. Aufgrund der Eigenart und Struktur der in dem Gebäude befindlichen Kanzleien und sonstigen Unternehmen kann es durchaus vorkommen, dass auch außerhalb der üblichen Bürozeiten in den Abendstunden oder am Wochenende – wenn auch im eingeschränkten Umfang – Besprechungstermine mit Klienten, Mandanten und Kunden vereinbart werden und mithin Publikumsverkehr stattfinden kann. Das Gebäude ist deshalb auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten als öffentlich zugänglicher Raum anzusehen.

cc) Die Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Teil des Gebäudes der Klägerin ist nach § 6b Abs. 1 Nr. 2 (Wahrnehmung des Hausrechts) und Nr. 3 BDSG (Wahrnehmung berechtigter Interessen) gerechtfertigt und für diese Zwecke erforderlich.

(a) Das Hausrecht, auf das sich auch nicht-öffentliche Stellen wie die Klägerin berufen können, beinhaltet die Befugnis, darüber zu entscheiden, wer ein Gebäude betreten und darin verweilen darf. Der Inhaber des Hausrechts ist daher berechtigt, die zum Schutz des Objekts und der sich darin aufhaltenden Personen sowie die zur Abwehr unbefugten Betretens erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, d. h. Störer zu verweisen und ihnen das Betreten für die Zukunft zu untersagen, mithin ein Hausverbot auszusprechen. Eine Beobachtung zur Wahrnehmung des Hausrechts dient sowohl einem präventiven als auch einem repressiven Zweck, indem zum einen Straftaten durch Abschreckung verhindert und zum anderen die Strafverfolgung durch die Auswertung des aufgenommenen Bildmaterials zum Zweck der Beweissicherung ermöglicht werden. Inhaber des Hausrechts können mehrere Personen sein – etwa der Eigentümer des Objekts und seine Mieter (vgl. hierzu Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 73 ff. m.w.N.).

Im vorliegenden Fall kann sich die Klägerin auf das ihr zustehende Hausrecht in den videoüberwachten Bereichen des Bürogebäudes berufen. Sie hat wegen ihrer Stellung als Eigentümerin und Verwalterin des Gebäudes zum einen ein Interesse daran, ihr (eigenes) Eigentum zu schützen und unberechtigte Personen vom Betreten des Gebäudes fernzuhalten. Zugleich hat sie zum anderen aber auch ein eigenes Interesse daran, dass die Mieter der Büroräume als ihre Vertragspartner in ihrem Gebäude nicht durch unberechtigte Personen zu Schaden kommen. Auf die Fragen, in welchem Verhältnis die Interessen des Eigentümers auf der einen und der obligatorisch berechtigten Mieter auf der anderen Seite zueinander stehen und wie ein etwaiger Interessenkonflikt zwischen diesen Seiten auszugleichen ist, braucht anlässlich des vorliegenden Falles nicht eingegangen zu werden. Denn die Klägerin beschränkt die Videoüberwachung auf die allgemein öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten, die von der Vermietung nicht mit umfasst sind, ohne sie auf die Büroräume der Mieter auszudehnen. Zudem hat sie diese vom – wenn auch erst nachträglichen eingeholten – Einverständnis ihrer Mieter abhängig gemacht (vgl. zu diesem Erfordernis etwa AG Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 6.1.2009 – 12 C 155/08 -, juris). Im Fall fehlenden Einverständnisses – wie bei der G. – hat sie die Videokamera abgebaut.

(b) Zusätzlich kann sich die Klägerin auf den Zulässigkeitstatbestand der Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke berufen. Als derartiges Interesse gilt nicht nur ein rechtliches, sondern jedes tatsächliche Interesse, das auch wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann, wobei es objektiv begründbar sein und sich aus der konkreten Sachlage heraus ergeben muss. Bei dem Einsatz von Videotechnik zum Zweck der Gefahrenabwehr ist regelmäßig von der Wahrnehmung berechtigter Interessen auszugehen (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 79 m.w.N.).

Die Klägerin kann sich zwar nicht auf eine abstrakte Gefahrenlage berufen, da in ihrem Fall nicht eine Situation vorliegt, die nach der Lebenserfahrung typischerweise gefährlich ist. Ihr Bürogebäude liegt – soweit ersichtlich – nicht in einer Gegend mit potentiell gefährdeten Bereichen, wie dies etwa bei Einkaufszentren, Kaufhäusern und weitläufigen und schwer einsehbaren Geschäftsräumen wie etwa Selbstbedienungsläden der Fall ist. Auch die in dem Bürogebäude befindlichen Kanzleien und Betriebe gehören nicht zu potentiell stark gefährdeten Einrichtungen, die typischerweise Opfer von Straftaten wie Einbruchsdiebstählen oder Überfällen werden, wie dies etwa bei Tankstellen und Juwelierläden angenommen werden kann. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil das Gebäude in der Nähe einer Autobahnauffahrt und in einem Gewerbegebiet liegt. Eine Videoüberwachung mit dem Ziel einer allgemeinen abstrakten Gefahrenvorsorge reicht nicht aus.

Die Klägerin kann sich aber auf eine konkrete Gefährdungslage berufen (zu dieser Alternative vgl. Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 80). Diese konkrete Gefährdungslage ergibt sich zwar nicht mit hinreichender Sicherheit aus dem Gesichtspunkt der Verunstaltung des Gebäudes mit Graffitis. Derartige Schmierereien sind in der Vergangenheit lediglich an der Außenfassade des Gebäudes, nicht aber innerhalb des Gebäudes, in der sich die Videokameras befinden, angebracht worden. Die Klägerin hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass in jüngerer Vergangenheit aus den Büros der in dem Gebäude befindlichen Steuerberatungsgesellschaft mehrere wertvolle Notebooks und aus dem Kellergeschoss dort lagernde Paletten gestohlen worden sind. Die aufgrund der Abschreckungswirkung mögliche Verhinderung von Straftaten zum Nachteil des Eigentümers des überwachten Objekts und der Vertragspartner und die Sicherung von Beweismaterial zur Aufklärung von begangenen Straftaten stellen ein berechtigtes Interesse dar. Die zu fordernde objektive Begründbarkeit des berechtigten Interesses liegt vor, wenn sie sich auf konkrete Tatsachen stützen kann, aus denen sich der zu erwartende Eintritt einer Gefahr ergibt (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 79). Ein solcher Fall ist hier gegeben. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich in den unter anderem an diverse Kanzleien und Steuerberatungsbüros vermieteten Räumen des Bürogebäudes sensible schützenswerte Daten der Kunden dieser Unternehmen befinden. In strafrechtlicher Hinsicht unterliegt die Videoaufnahme, die den Täter beim Diebstahl filmt, keinem Verwertungsverbot (vgl. hierzu etwa BayObLG, Beschl. v. 24.1.2002 – 2 St RR 8/02 -, NJW 2002, 2893). Die Bedenken des Beklagten hinsichtlich des Vorliegens dieser konkreten Gefährdungslage teilt der Senat nicht.

Die Klägerin hat die Zwecke der Videoüberwachung (hier: Verhinderung von Straftaten und Sicherung von Beweismaterial zur Aufklärung begangener Straftaten) in der von dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten erstellten Verfahrensübersicht vom 8. September 2011 konkret schriftlich dargelegt und ist dadurch den Anforderungen des § 4e Satz 1 Nr. 4 BDSG hinreichend nachgekommen. Durch dieses Erfordernis soll die verantwortliche Stelle zu einer sorgfältigen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung veranlasst werden (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 82 ff.).

(c) Die seitens der Klägerin durchgeführte Videoüberwachung in dem Bürogebäude und die Speicherung der Aufnahmen ist für die Erreichung der dargestellten Zwecke der Wahrnehmung ihres Hausrechts und ihrer berechtigten Interessen erforderlich. Dies betrifft sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ des Einsatzes der Videotechnik.

Die Erforderlichkeit im Sinne des § 6b BDSG setzt voraus, dass das festgelegte Ziel mit der Überwachung tatsächlich erreicht werden kann und es dafür kein anderes, gleich wirksames, aber mit Blick auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung der betroffenen Personen weniger einschneidendes Mittel gibt. Diese Bewertung hat ausgehend von einer objektiven Betrachtungsweise im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu erfolgen (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 86 m.w.N.).

Die Videoüberwachung (Beobachtung und Speicherung) ist zur Abschreckung von Störern und Straftätern (grundsätzlich) geeignet, da der Umstand der Überwachung durch die Hinweisschilder in hinreichendem Umfang erkennbar ist. Sie kann auch im Nachhinein einen hinreichend sicheren Rückschluss auf die verantwortlichen Störer und Täter liefern. Die aufgezeichneten Bilder sind für eine spätere Identifizierung von ausreichender Qualität und werden für einen bestimmten Zeitraum zum Zweck der Auswertung gespeichert. Die Eignung der Bilder für Vorgänge zur Abend- und Nachtzeit mag zwar eingeschränkt sein. Entscheidend ist aber, dass eine Maßnahme nicht nur dann zu einem bestimmten Zweck geeignet ist, wenn dieser mit ihrer Hilfe vollständig erreicht werden kann. Ausreichend ist vielmehr bereits ihre Eignung, diesen Zweck zu fördern (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 87 m.w.N.). Diese Eignung kommt den Bildern auch bei schlechten Sichtverhältnissen zu.

Mildere, gleich wirksame Mittel zur Zweckerreichung sind nicht erkennbar. Als Alternative zur Videoüberwachung kommt der Einsatz von Wachpersonal in Betracht. Es ist aber bereits fraglich, ob ein derartiger Einsatz in gleicher Weise geeignet ist, die gewünschten Zwecke zu erreichen. Das Wachpersonal kann nicht zu jeder Zeit an allen überwachten Orten zugleich sein. Zudem sähen sich die Bediensteten, Kunden und Mandanten der in dem Bürogebäude ansässigen Kanzleien und Unternehmen einer permanenten Beobachtung durch Wachleute ausgesetzt, die sich gegenüber der Videoüberwachung als ein subjektiv gravierenderer Eingriff darstellt. Schließlich sind die Kosten für den Einsatz von Wachpersonal gegenüber dem Betrieb einer Videoanlage ungleich höher und damit wirtschaftlich nicht vertretbar.

Gesichtspunkte, die gegen die Erforderlichkeit der von der Klägerin konkret gewählten Art der Videoüberwachung und damit gegen das „Wie“ des Einsatzes der Videotechnik sprechen, sind nicht ersichtlich.

Als milderes Mittel käme zum einen die Beschränkung der Videoüberwachung auf die Zeiträume in Betracht, in denen ein Publikums- und Beschäftigtenverkehr in dem Bürogebäude im Allgemeinen nicht stattfindet. Dies sind vor allem die Abend- und Nachtstunden und die Zeiten der gesetzlichen Feier- und Sonntage. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass eine Videoüberwachung zu den genannten Zwecken auch während der Zeiträume, in denen das Gebäude öffentlich zugänglich ist, erforderlich ist. Denn auch während dieser Zeiträume kann es – angesichts der dann freien Zugänglichkeit des Gebäudes sogar mit einer höheren Wahrscheinlichkeit – zu Diebstählen oder anderen Straftaten kommen, sodass in zeitlicher Hinsicht eine Videoüberwachung des Gebäudes „rund um die Uhr“ erforderlich ist.

In räumlicher Hinsicht käme zum anderen die Beschränkung der Videoüberwachung allein auf die beiden Eingangsbereiche in Betracht. Da potentielle Störer und Straftäter aber unberechtigterweise auch auf anderen Wegen, beispielsweise über stets verschlossene weitere Türen oder insbesondere durch Fenster, in das Gebäude gelangen können, bedarf es der Überwachung mithilfe der weiteren Videokameras in den übrigen Bereichen. Zudem sind die Aufzeichnungen der weiteren Videokameras geeignet und erforderlich, um den potentiellen Täterkreis weiter einzuengen.

Da die Klägerin mit der Videoüberwachung nicht ausschließlich präventive Zwecke (zur Abschreckung), sondern nach dem oben Gesagten zusätzlich in zulässiger Weise den repressiven Zweck der Aufklärung etwaiger Straftaten verfolgt, bedarf es gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 BDSG  nicht nur der Beobachtung, sondern auch der Aufzeichnung und Speicherung der Daten. Ohne Speicherung der Aufnahmen wäre es der Klägerin nicht möglich, im Nachhinein auf das Bildmaterial zuzugreifen, um sich mit dessen Hilfe bei in dem Bürogebäude begangenen Straftaten einen Überblick über mögliche Täter zu verschaffen. Bedenken hinsichtlich des räumlichen Umfangs der Überwachung bestehen nicht, weil die Videoanlage weder über einen Schwenkmechanismus noch über eine Zoomfunktion verfügt und Bereiche außerhalb des Gebäudes und innerhalb der vermieteten Büroräume nicht erfasst werden. Gleiches gilt hinsichtlich der Verfahrensabläufe, da der Zugriff auf die Beobachtungseinrichtungen hinreichend eingeschränkt und gesichert ist.

dd) Anhaltspunkte für das Überwiegen schutzwürdiger Interessen der Betroffenen sind nicht gegeben.

Die Interessenprüfung gemäß § 6b Abs. 1 und 3 BDSG erfordert eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Abwägung zwischen den durch die Zwecke der Videoüberwachung bestimmten grundrechtlich geschützten Positionen der Anwender von Videotechnik und den Interessen derjenigen, die Objekt der Videoüberwachung und -speicherung sind. Bei der Abwägung sind auf Seiten der verantwortlichen Stelle insbesondere die Zwecksetzung der Beobachtung sowie die sie begleitenden Umstände (vor allem deren technische Ausgestaltung) zu beachten, während auf Seiten der von der Überwachung betroffenen Personen in erster Linie das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seinen Ausprägungen als Recht der informationellen Selbstbestimmung, des Rechtes am eigenen Bild sowie des Schutzes der Privatsphäre von Bedeutung ist (Zscherpe, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 6b Rdnr. 53; Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 23 und 92, jeweils m.w.N.). Hierbei sind alle Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich. Der Frage der Eingriffsintensität kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Das Gewicht des Eingriffs wird maßgeblich durch Art und Umfang der erfassten Informationen, durch Anlass und Umstände der Erhebung, den betroffenen Personenkreis und die Art und den Umfang der Verwertung der erhobenen Daten bestimmt. Je stärker das Maß der Beeinträchtigung durch die Überwachungsmaßnahme ist, desto schutzwürdiger sind die Interessen der betroffenen Personen. Hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist zwischen drei Sphären zu unterscheiden, innerhalb derer das Persönlichkeitsrecht betroffen sein kann: die Individualsphäre, die Privatsphäre und die Intimsphäre (zu dieser Unterscheidung vgl. etwa LG München I, Urt. v. 21.10.2011 – 20 O 19879/10 -, juris, Rdnr. 27 m.w.N.). Ein Überwiegen der Interessen der Betroffenen muss dabei nicht positiv festgestellt werden, es reicht aus, wenn Anhaltspunkte für ein Überwiegen dieser Interessen nicht ausgeräumt sind (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdrn. 92 ff. m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der Wertung des Gesetzgebers die Videoüberwachung und -speicherung auch durch nicht-öffentliche Stellen im öffentlich zugänglichen Bereich zu den genannten – hier gegebenen – Zwecken grundsätzlich zulässig ist und „lediglich“ unter dem genannten Vorbehalt steht.

Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der von der Videoüberwachung der Klägerin betroffenen Personen nicht ersichtlich. Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass die Klägerin eine Überwachungstechnik einsetzt, die die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nicht tangiert. Die Videokameras werden als sogenannte Mini dome-Kameras betrieben, die fest installiert und auf einen Sichtbereich ohne Zoom-Funktion ausgerichtet sind. Schwenkbewegungen, die die Bewegungen der beobachteten Personen im Raum nachvollziehen, sind nicht möglich. Ebenso wenig ist es möglich, Einzelheiten der beobachteten Personen, insbesondere Gesichtskonturen, näher in den Blick zu nehmen. Daher erfassen die Videokameras weniger als ein aufmerksamer Beobachter (vgl. zu diesem Kriterium XVI. Bericht über die Tätigkeit des Nds. Landesbeauftragten für den Datenschutz, Drs. 14/4000, S. 41 f.). Die von den Kameras überwachten Örtlichkeiten dienen nicht einem längeren Verweilen, etwa zum Zweck einer Kommunikation mit Dritten, sondern die Betroffenen gelangen lediglich für einen sehr kurzen Zeitraum (hierbei dürfte es sich meistens lediglich um Sekunden handeln) in das Blickfeld der Kameras. Bewegungs- und Verhaltensprofile einzelner beobachteter Personen können aufgrund der Videoüberwachung nicht erstellt werden. Es werden keine Einblicke in höchstpersönliche Bereiche der Intim- und Privatsphäre – wie dies etwa bei der Überwachung von Toiletten, Umkleidekabinen, Duschen, Saunen, ärztlichen Behandlungsräumen oder Privaträumen und Gastronomiebetrieben (vgl. zu letzterem etwa AG Hamburg, Urt. v. 22.4.2008 – 4 C 134/08 -, juris) der Fall wäre – und keine Einblicke in Arbeitsbereiche der in dem Bürogebäude der Klägerin tätigen Beschäftigten ermöglicht (zur Frage der <heimlichen> Videoüberwachung am Arbeitsplatz vgl. EGMR, Entscheidung v. 5.10.2010 – 420/07 <Köpke> -, EuGRZ 2011, 471; BAG, Urt. v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11 -, NJW 2012, 3594; ArbG Düsseldorf, Beschl. v. 29.4.2011 – 9 BV 183/10 -, juris). Eine andere Einschätzung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil in der Vergangenheit neben dem Getränkeautomaten im Kellergeschoss einige Stühle aufgestellt waren. Die seinerzeit dort befindlichen Stühle dienten jedenfalls angesichts der wenig einladenden Umgebung im Kellergeschoss offensichtlich nicht einem längeren Verweilen. Die Tatsache der Videoüberwachung wird offengelegt, sodass eine heimliche Vornahme der Überwachungsmaßnahme, die besonders schwerwiegend in die Rechte der betroffenen Personen eingreifen kann, nicht gegeben ist. Es ist deshalb insgesamt nicht ersichtlich, dass durch die Beobachtung ein erhöhter Anpassungsdruck bei den Betroffenen erzeugt wird.

Hinzu kommt, dass die Videoaufnahmen nicht auf einen Monitor übertragen werden, an dem Überwachungspersonen zur ständigen und sofortigen Auswertung der Bilder sitzen. Die Bildaufnahmen werden vielmehr im sogenannten black box-Verfahren auf einen Server geleitet und in der Regel nach einer bestimmten Zeit ohne jede Auswertung durch Überschreiben der digital gespeicherten Daten wieder gelöscht. Lediglich wenn ein Ereignis eintritt, das den oben genannten Zwecken des Hausrechts und der berechtigten Interessen der Klägerin als Hauseigentümerin und ihrer Mieter zuwiderläuft, erfolgt eine Sichtung des aufgenommenen Bildmaterials mit dem Ziel der Auswertung.

ee) Die Klägerin ist den Anforderungen des § 6b Abs. 2 BDSG nach Kenntlichmachung der Beobachtung und der verantwortlichen Stelle hinreichend nachgekommen.

Sinn und Zweck der Verpflichtung der verantwortlichen Stelle zur Kenntlichmachung der Beobachtung ist die Schaffung von Transparenz für den Betroffenen; er soll vor oder bei Betreten des Raumes wissen, dass er beobachtet wird, damit er sein Verhalten danach ausrichten und gegebenenfalls der Beobachtung ausweichen kann (Zscherpe, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 6b Rdnr. 62 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügen die in deutscher Sprache abgefassten und mit einem Symbol versehenen Hinweisschilder an den Türen in den Eingangsbereichen des Gebäudes. Nähere Angaben zur Art und zum Umfang der Videoüberwachung, etwa Angaben über die genaue Anzahl der Kameras einschließlich ihrer Standorte oder über die eingesetzte Technik, verlangt das Gesetz nicht (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 103). Zudem können die Betroffenen die Identität der verantwortlichen Stelle erkennen.

ff) Die unverzügliche Löschung der erhobenen Daten nach § 6b Abs. 5 BDSG ist gewährleistet.

Nach dieser Vorschrift sind die durch Videoüberwachung gewonnenen Daten unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des ursprünglich verfolgten Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Nicht mehr erforderlich und daher zu löschen sind nach der – hier allein interessierenden – ersten Alternative des § 6b Abs. 5 BDSG alle Aufzeichnungen, die nicht mehr zur Aufklärung eines relevanten Vorfalls beitragen können, weil sie für eine Gefahrenabwehr oder Rechtsverfolgung nicht mehr benötigt werden. Letzteres ist anzunehmen, wenn die verantwortliche Stelle von einer Verfolgung absieht oder eine weitere Untersuchung der Störung oder Tat eingestellt worden ist (Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 139). Eine zeitliche Grenze ist im Gesetz nicht bestimmt, „unverzüglich“ meint hier in entsprechender Anwendung von § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern. Auch wenn die Gesetzesbegründung von regelmäßig ein bis zwei Arbeitstagen ausgeht (BT-Drs. 14/5793, S. 63, zitiert nach Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 140 in Fn. 296), ist hier die Frist von bis zu zehn Wochentagen noch als angemessen zu betrachten.  Diese Frist ist zwar für den verfolgten Zweck der Abschreckung (Prävention) nicht erforderlich, sie ist aber mit Blick auf die Aufklärung etwaiger Rechtsverstöße angemessen. Angesichts der häufigen berufsbedingten Abwesenheit der Mitarbeiter, die in den einzelnen in dem Bürogebäude der Klägerin befindlichen Kanzleien und Praxen beschäftigt sind, und unter Berücksichtigung von mitunter längeren arbeitsfreien Zeiträumen ist die zeitliche Spanne der Speicherung von zehn Wochentagen nicht unverhältnismäßig. Denn oftmals wird erst nach Ablauf dieser Zeitspanne verlässlich feststehen, ob und welche Vorkommnisse eine nähere Untersuchung auch unter Zuhilfenahme der aufgenommenen Videobilder erfordern und rechtfertigen.

Der Einsatz des black box-Verfahrens gewährleistet eine automatische Überschreibung der bisher gespeicherten Bilder und damit eine gesicherte Löschung der gespeicherten Daten (vgl. hierzu Scholz, in: Simitis, a.a.O., § 6b Rdnr. 151).

Im Ergebnis liegen die Voraussetzungen der „Erlaubnisnorm“ des § 6b BDSG insgesamt vor. Die Klägerin nimmt daher die Videoüberwachung ihres Bürogebäudes in Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben vor. Mangels festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten oder technischer oder organisatorischer Mängel fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm des § 38 Abs. 5 BDSG. Auf Fragen der richtigen Ermessensausübung seitens des Beklagten kommt es daher nicht entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Schreibe einen Kommentar