BGH verweist an EuGH: Sind Landkarten Datenbanken?

Freistaat Bayern klagt gegen Nutzung von Landkarten

Das Landesamt für Vermessung und Geoinformation gibt topographische, flächendeckende Landkarten für das gesamte Bundesland Bayern im Maßstab 1:50.000 (sogenannte TK 50) heraus. Diese Landkarten werden nach (bundesweit) einheitlichen Abbildungsvorschriften (einem sogenannten Musterblatt) und einem einheitlichen geodätischen Bezugssystem erstellt.

Ein Verlag, welcher u.a. Atlanten, Tourenbücher und Landkarten veröffentlicht, nutzte sechs dieser Landkarten und übernahm die zugrundeliegenden Daten. Der Freistaat Bayern klagte vor dem Landgericht München auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung.

Die Vorinstanzen entscheiden uneinheitlich

Das Landgericht hat den Beklagten zur Unterlassung der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe von sechs Landkarten sowie zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung hinsichtlich dieser Landkarten verurteilt und insoweit die Schadensersatzpflicht festgestellt (LG München, ZUM-RD 2013, 277). Die Verurteilung zur Unterlassung ist in Rechtskraft erwachsen, nachdem der Beklagte sich hiergegen mit der Berufung nicht gewandt hat.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit der Beklagte zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt und die Schadensersatzpflicht des Beklagten festgestellt worden ist (OLG München, GRUR 2014, 75). Es hat die Revision nur insoweit zugelassen, als es die auf den Schutz von Datenbanken nach §§ 87 a ff. UrhG gestützten Ansprüche verneint hat.

Der Freistaat Bayern wendet sich nun an den BGH.

Wurde das Recht an Datenbanken gemäß der §§ 87 a ff. UrhG verletzt?

Die entscheidene Frage ist, ob Landkarten als Datenbanken i.S.d. §§ 87 a ff. UrhG vom Urheberrecht geschützt sind.

§ 87 a Abs.1 UrhG definiert den Begriff der Datenbank wie folgt:

„Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.“

Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob diese Voraussetzungen auch bei topographischen Karten („Landkarten“) vorliegen. Vor allem das Merkmal des „unabhängigen Elelements“ und deren richtlinienkonforme Auslegung nach Art. 1 Abs. 2 der EU-Richtlinie 96/9/EG wird stark diskutiert.

Der BGH führt in seinem Beschluss vom 18.09.2014 (BGH I ZR 138/13) aus, dass einerseits die Landkarte ihren eigentlichen Informationswert erhalte, der weit über den Wert der punktuellen Information hinausgehe. Andererseits schließe die Möglichkeit, die Einzelinformation auch in ihrer Kombination zu nutzen, deren einzelne Zugänglichkeit nicht aus, sondern sei nur deren Folge. Dabei hänge die Frage, ob bei topographischen Karten die Trennung der Daten vom topographischen Zusammenhang ihren Informationswert beeinträchtige, davon ab, nach welchen Maßstäben dieser Wert zu bestimmen sei.

BGH legt dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor

Der BGH hat folgende Frage zur richtlinienkonformen Auslegung des § 87 a Abs. 1 S. 1 UrhG, der Art. 1 Abs. 2 der EU-Richtlinie 96/9/EG an den EuGH gerichtet:

Ist bei der Frage, ob eine Sammlung von unabhängigen Elementen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG vorliegt, weil sich die Elemente voneinander trennen lassen, ohne dass der Wert ihres informativen Inhalts dadurch beeinträchtigt wird, jeder denkbare Informationswert oder nur derjenige Wert maßgebend, welcher unter Zugrundelegung der Zweckbestimmung der jeweiligen Sammlung und der Berücksichtigung des sich daraus ergebenden typischen Nutzerverhaltens zu bestimmen ist?

Daten eines Fußballspiels können Elemente einer Datenbank sein – die einer Landkarte auch?

Die Antwort des EuGH vorherzusagen ist kaum möglich. In einem anderen Fall hat der Gerichtshof der Europäischen Union angenommen, dass die Daten einer einzelnen Begegnung einer Fußballmeisterschaft, die aus dem Datum, der Uhrzeit und der Identität der Mannschaften einer bestimmten Begegnung bestehen, einen selbständigen Informationswert besitzen.

Daher könnten diese Daten unabhängige Elemente einer Datenbank darstellen, selbst wenn das Interesse an einer Fußballmeisterschaft weitgehend in der Gesamtberücksichtigung der einzelnen Begegnungen dieser Meisterschaft liegt (EuGH, GRUR 2005, 254 Rn. 33 f. -Fixtures- FußballspielpläneII) und die Spielpläne deshalb weitere Informationen umfassen.

(Bild: © DigitalGenetics – Fotolia.com)

4 Gedanken zu „BGH verweist an EuGH: Sind Landkarten Datenbanken?“

  1. Sehr geehrte Frau Schletter,

    Ich bereite einen Vortrag über den historischen Verlauf der Geschichte der Siebenbürger Sachsen vor und möchte dazu gerne mehrere Landkarten aus den einzelnen Jahrhunderten aus dem Internet kopieren und zeigen. Ggf. denke ich auch an die Schriftliche Veröffentlichung des fertigen Vortrags. Ich bin im Zweifel, ob ich damit nicht gegen vorhandene Ursprungsrechte verstoße.
    Welche Meinung haben Sie dazu?

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  2. Ich würde gern erfahren, ob ich mit meinem Vorhaben gegen Ursprungsrechte verstoße, wenn ich bei einem Vortrag solche im Internet vorhandene Historische Landkarten herunterlade und zeige. Wie ist es , wenn ich den Vortrag eventuell schriftlich veröffentliche?

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    • Hallo Herr Dück,

      leider dürfen wir hier keine Rechtsberatung zu einem Einzelfall geben. Sollten Sie eine Klärung Ihrer Frage benötigen, können Sie sich gerne für eine kostenlose erste Kontaktaufnahme völlig unverbindlich bei uns in der Kanzlei melden (0228 387 560 200) oder eine Telefonnummer hinterlassen (info@tw-law.de).

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  3. Nicht zur Frage von Herrn Dück, sondern nur als Ergänzung zum Artikel:

    Der EuGH hat hierzu am 29. Oktober 2015 eine Entscheidung gefällt:
    http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=170741&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first∂=1

    Danach sollen Landkarten als Datenbanken in Sinne Datenbankrichtlinie geschützt sein können.

    Ich persönlich bin nicht sicher, ob man die Entscheidung wirklich so interpretieren darf. Der BGH hat dem EuGH lediglich die Frage gestellt, ob bei topographischen Karten die darin enthaltenen Elemente unabhängige Elemente im Sinne Datenbankrichtlinie sind. Die anderen Tatbestandsmerkmale „Sammlung von Elementen“, „systematische oder methodische Anordnung der Elemente“, „Einzelzugänglichkeit der Elemente“ und „hoher Investitionsaufwand für die Herstellung der Datenbank“, die ebenfalls zwingende Voraussetzung für den Schutz sind, wurden mit Ausnahme des bisher noch nicht überprüften Investitionsaufwands bereits in den Vorinstanzen und auch vom BGH als erfüllt angesehen.

    Das war wahrscheinlich ein Fehler. Würde es nur um die „Unabhängigkeit der Elemente“ gehen, könnte auch ein Sack voller Kartoffeln eine Datenbank sein.

    Inzwischen hat der BGH den Ball vom EuGH wieder aufgegriffen und mit Urteil vom 10.03.2016 – I ZR 138/13 (TK 50 II) die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen weil wie gesagt das Berufungsgericht bislang noch keine Feststellungen zum Tatbestandmerkmal des „hohen Investitionsaufwands“ getroffen hat.

    Ich weiß nicht, ob inzwischen auch das Berufungsgericht erneut entschieden hat. Vielleicht kann rechtambild das ja klären.

    MfG
    Johannes

    PS: Zum Schluss noch ein Zitat von Gernot Schulze GRUR 2009, 812 zu einem ähnlich komplizierten Fall: „Das Verfahren „Le Corbusier-Möbel“ zeigt, dass manche Frage, die dem EuGH zur Klärung vorgelegt wird, nicht unbedingt mehr zur Klarheit, sondern zu weiterer Unklarheit führen kann. Dann könnte man nachträglich sogar bedauern, überhaupt vorgelegt oder nicht anders gefragt zu haben.“

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