BVerfG: Überspitzte Äußerungen können unter Meinungsfreiheit fallen

Zum Sachverhalt

In Folge einer abgewiesenen Schadensersatzklage kam es durch den Beschwerdeführer zur Erhebung einer Dienstaufsichtsbeschwerde. In dieser führte er auf, er protestiere „gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin“ und meine, „sie müsse effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät“.

Nach erfolgter Anklage wurde der Beschwerdeführer aufgrund dieser Äußerung wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt. Nach Berufung und Revision ging es zum Bundesverfassungsgericht.

Die Entscheidung

Das BVerfG hob die Verurteilung auf. Das Urteil verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik seien verkannt worden.

Allein eine überzogene oder ausfällige Kritik machen eine Äußerung nicht nicht zur Schmähung. „Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen.“ Ein solcher Fall sei in der getätigten Äußerung nicht zu sehen. Bei der Aussage, es müsse verhindert werden, dass die Richterin auf eine schiefe Bahn gerate, steht nicht die Verunglimpfung der Betroffenen im Vordergrund. „Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage.“ Mit der erhobenen Dienstaufsichtsbehörde bezwecke der Beschwerdeführer gerade eine Überprüfung des Verhaltens der Richterin. Zu den weiteren Äußerungen fehlt eine Begründung des Landgerichts für die Einordnung der Äußerungen als Schmähkritik gänzlich.

Soweit das Landgericht die Äußerung derart deutet, dass der betroffenen Richterin die künftige Begehung von Straftaten unterstellt wird, so ist laut BVerfG hierin ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit zu sehen. Das Gericht habe sich nicht mit anderen Deutungsmöglichkeiten beschäftigt.

Ein Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit liegt vor, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben.

Demgemäß waren die Entscheidungen aufzuheben. Das BVerfG macht mit seiner Entscheidung einmal mehr deutlich, wie umfangreich eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Äußerungen auszufallen hat, bevor man zu der Beurteilung als Schmähkritik kommt und damit auch die Meinungsfreiheit der Betroffenen einschränkt. Nichts desto trotz bleibt es natürlich bei einer Einzelfallentscheidung. Die aufgeführten Grundgedanken lassen sich jedoch auch auf andere Sachverhalte übertragen und sollten bei einer Prüfung entsprechend berücksichtigt werden.

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 86/2014 vom 2. Oktober 2014

(Bild: © Robert Kneschke – Fotolia.com)

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