Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht

Einem Tochterunternehmen der Verlegerin der Tageszeitung „Sächsische Zeitung“ wurde zivilrechtlich untersagt, über einen Vorfall aus dem Jahre 2008 zu berichten, in den die beiden Söhne des Schauspielers Uwe Ochsenknecht, verwickelt waren. Die Brüder hatten erfolgreich auf Unterlassung der Berichterstattung über den Vorfall als Sachbeschädigung sowie einzelner den Hergang betreffender Äußerungen geklagt. Dagegen hat das Tochterunternehmen nun ebenso erfolgreich Verfassungsbeschwerde eingelegt (Beschluss v. 01.03.2012, 1 BvR 2499/09, 1 BvR 2503/09)

Der Bericht fällt in den Bereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG. Dieser findet zwar seine Grenzen unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Bei der Abwägung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften haben die Fachgerichte jedoch Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt und die Persönlichkeitsrechte der Brüder fälschlicherweise höher eingestuft.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt insbesondere vor einer Beeinträchtigung der Privat- und Intimsphäre. Im Bereich der Wortberichterstattung bietet es nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten, wobei es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung ankommt. Zwar ist für die Berichterstattung über Straf-verfahren anerkannt, dass im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Namensnennung oder sonstige Identifikation des Täters nicht immer zulässig sind. Insbesondere bei schwerwiegenden Straftaten kann die Gefahr einer Stigmatisierung des noch nicht rechtskräftig Verurteilten erhöht sein. Hiervon unterscheidet sich jedoch die vorliegende Berichterstattung über das unstreitige Verhalten einer Gruppe junger Leute auf offener Straße, über das unabhängig von einem Strafverfahren berichtet wird, und das allenfalls von geringfügiger strafrechtlicher Relevanz ist. Zudem berührt der Bericht nur die Sozialsphäre der Kläger, die überdies ihre Person selbst in die Öffentlichkeit gestellt haben, wobei sie ein Image als „Junge Wilde“ pflegten und ihre Idolfunktion  kommerziell ausnutzten. Diese Umstände haben die Fachgerichte nicht ausreichend in ihre Erwägungen eingestellt.

Zudem ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden kann. Bei Tatsachenberichten müssen wahre Aussagen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Andererseits ist zweifelsohne das junge Alter der Kläger in die Erwägungen einzubeziehen. Die von den Fachgerichten angenommene Regelvermutung des grundsätzlichen Vorrangs des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber der Meinungsfreiheit, sobald schutzbedürftige Interessen von jungen Erwachsenen beziehungsweise Jugendlichen in Rede stehen, ist jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht zu eng und undifferenziert. Sie übergeht das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Abwägung und berücksichtigt vorliegend zu wenig, dass die Bedeutung der Persönlichkeitsbeeinträchtigung sowohl durch das „Öffentlichkeitsimage“ der Kläger als auch durch die Einordnung ihres Verhaltens als Bagatelldelikt gemindert ist.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die angegriffenen Entscheidungen daher aufgehoben, weil sie die Beschwerdeführerin in ihrem  Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzen.  Es wurde zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 16/2012 vom 1. März 2012

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