BGH: Urheberrechtsschutz von Lernspielen

Worum ging es?

Die Klägerin, eine relativ bekannte Entwicklerin und Vertreiberin von sogenannten Lernspielen, ging gegen die Beklagte vor, die – genau wie sie – Lernspiele bestehend aus Übungsheften in Verbindung mit einem Kontrollgerät vertrieb. Das Prinzip war, dass bei den Lernspielen das Kontrollgerät ein nach oben offener Kunststoffrahmen war, in den die Übungshefte dann eingesteckt werden konnten und mittels seitlich angebrachter Kippschalter ermittelt werden konnte, ob die Übungen richtig gelöst worden sind. Drehte man dieses Lernspiel, so zeigte sich auf der Rückseite nämlich ein entsprechendes Farbmuster. Die Beklagte stellte Lernspiele her, die in weiten Teilen dem Prinzip der Lernspiele der Klägerin ähnelten und vertrieb diese auch. Die vom BGH zu beurteilende Frage war nunmehr, ob das Lernspiel in dieser Form der Beklagten das Lernspiel der Klägerin verletzt.

Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche über diesen urheberrechtlichen Ansatz zu generieren, taten sich die Gerichte der vorherigen Instanzen aus verschiedenen Gründen schwer; für den Laien mag die Bejahung einer Urheberrechtsverletzung durch den BGH insbesondere auch deshalb überraschend erscheinen, weil die Vorderseiten des Lernspieles der Beklagten eher bunte, konkrete Darstellungen wie z. B. Ente, Gießkanne etc., auf der Rückseite Rechtecke zeigten, wohingegen die Vorderseite des Lernspiels der Klägerin eher abstraktere und zudem – anders als die Seite der Beklagten – einfarbige Symbole verwendete.

Beurteilung durch den BGH

Der BGH hob hervor, dass im vorliegenden Fall der Schutz der Kombination aus Lernspiel und Kontrollgerät als Darstellung wissenschaftlicher Art im Sinne § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG gegeben ist. Zwar versagte der BGH den Kontrollgeräten allein den urheberrechtlichen Schutz, da eine notwendige individuell-künstlerische Gestaltung evident fehlte; betonte aber, dass die Kontrollgeräte und die zugehörigen Übungshefte, die im vorliegenden Fall sinnvoll nur zusammen als Lernspiel verwendet werden konnten und sollten, auch für die urheberrechtliche Beurteilung als Einheit zu betrachten waren. Es führte dazu aus

„Soweit die Kontrollgeräte zusammenwirken und mit den Übungsheften – wie das Berufungsgericht unterstellt hat – wissenschaftliche Erkenntnisse sichtbar machen, erfüllen sie die Anforderung an Darstellung wissenschaftlicher Art im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG. Sie dienen damit der Vermittlung von belehrenden oder unterrichtenden Informationen und setzen dazu (auch) das Ausdrucksmittel der graphischen und plastischen Darstellung ein […].“

Der BGH betonte zudem, dass der Begriff „wissenschaftlich-technischer Art“ weit auszulegen sei und im Wesentlichen der Abgrenzung zu den bildenden Künsten diene, weshalb auch ein Gerät und Spiel, welches „wissenschaftliche Erkenntnisse“ an Kinder vermittele, unter diese Werkkategorie fallen könne.

Im Folgenden setzte sich der BGH mit der Überlegung des Berufungsgerichtes auseinander, ob die Lernspiele der Beklagten als selbständige Werke anzusehen seien, die in freier – und damit gemäß § 24 Abs. 1 UrhG in zulässiger – Weise hergestellt worden sind. Die Frage, ob das Werk der Beklagten die eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen ließen und die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werksschaffen erscheint, verneinte der Bundesgerichtshof und führte dabei aus, dass die „urheberrechtlich geschützte schöpferische Eigenart einer Darstellung wissenschaftlich Art nicht im dargestellten Inhalt, sonder allein in der Form der Darstellung liegt. […] Dagegen kommt es es nicht auf den schöpferischen Gehalt des wissenschaftlichen oder technischen Inhalts der Darstellung an. […]“. Als zentral angesehen hat der BGH – und hat insoweit die Auffassung des OLG Köln als Berufungsinstanz korrigiert – , dass eine Verletzung des Urheberrechts an den Lernspielen nicht bereits deshalb ausscheidet, weil sich die Inhalte und Aufgaben der Übungshefte der Beklagten von denen der Klägerin unterscheiden.

Fazit

Der Schutz von Werken wissenschaftlich-technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG kann nach diesem neuen Urteil des Bundesgerichtshofes eher greifen, als man es bei erster Betrachtungsweise vielleicht vermuten würde. Wichtig ist, dass über diese Norm nicht die wissenschaftlich-technischen Inhalte selbst, sondern die  Art von deren Darstellung geschützt wird. Dabei kann sich das geschützte Werk  auch aus dem Zusammenspiel mehrerer Komponenten ergeben.

[box type=“info“ size=“medium“] Dieser Beitrag wurde von unserer Gastautorin Simone Bötcher, LL.M. verfasst. Sie ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz. Als Gesellschafterin von BD&F Rechtsanwälte, Kanzlei für Medien, IT & Werbung, betreut sie vorwiegend Unternehmen des E-Commerce und der Werbebranche in allen Fragen des Marken-, Wettbewerbs- und Geschmacksmusterrechts, meist mit Bezug zum Internet. Das Urheber- und Medienrecht bildet einen weiteren Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit. Diese Materie auch Nichtjuristen zugänglich zu machen, ist Simone Bötcher angesichts der zunehmenden Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit diesen Themen gegenüber ein großes Anliegen; Einblick in alle Bereiche dieser Rechtsgebiete gibt sie Praktikern vorzugsweise in Workshops und Inhouse-Schulungen. [/box]

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