Die Gestaltungshöhe im Detail und die Auswirkungen im Fotorecht

Was genau die Gestaltungshöhe – oder auch Schöpfungshöhe genannt – ist, wird vielerorts leider sehr missverständlich erläutert und sehr schnell mit den Kriterien aus § 2 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) vermischt. Dort heißt es:

Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

Das Werk muss also

  • persönlich und
  • mit geistigem Gehalt sein
  • sowie in einer konkreten Form Gestalt angenommen haben.

Zudem wird als zentrales Erfordernis eine individuelle Schöpfung benötigt. Von dem Kriterium einer „Gestaltungshöhe“ ist jedoch erst einmal nichts in Sicht. Aus diesem Grund ist es auch sehr umstritten, ob die Gestaltungshöhe überhaupt als zusätzliches Abgrenzungskriterium notwendig ist. Das wird im Rahmen der Individualität des Werkes diskutiert.

Wenn man von Individualität spricht, meint man damit, dass das Werk vom individuellen Geist des Urhebers geprägt ist. Dies beinhaltet einerseits die Frage nach individueller Eigenheit des Werkes im Vergleich zu bestehenden Gestaltungen.

Andererseits kann man danach fragen, ob und wie viel Eigenheit das Werk aufweisen muss. Also ob das Werk die notwendige Gestaltungshöhe aufweist oder ob es das Ergebnis einer routinemäßigen, handwerklichen Tätigkeit darstellt.

Zur Entwicklung der Gestaltungshöhe

Ursprünglich wurde die Gestaltungshöhe nur bei Werken der angewandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 3 UrhG) für erforderlich gehalten. Dies ist auch heute noch der Fall und grenzt damit den Urheberrechtsschutz von dem leichter zu erlangenden  Geschmacksmuster-Rechtsschutz ab. Wo ein Schutz durch das Urheberrecht nicht erreicht werden kann (z. B. durch die nicht ausreichende Gestaltungshöhe), ist das Geschmacksmusterrecht (Designschutz) als „Auffangnetz“ zu verstehen. Daher gilt aber auch, dass für den Urheberrechtsschutz ein höherer schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad als bei nur geschmacksmusterfähigen Gegenständen zu verlangen ist, wobei die Grenze zwischen beiden nicht zu niedrig angesetzt werden darf (BGH, Urt. v. 22.06.1995, Az. I ZR 119/93 Silberdistel mwN.).

Diese Argumentation ist hauptsächlich bei Werken der angewandten Kunst und nichtliterarischen Texten zu finden (bspw. BGH GRUR 1986, 739 – Anwaltsschriftsatz). Die Verfassungskonformität dieser Überlegungen wurde für diese Bereiche bereits durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt (BVerfG, Entscheidung v. 26.01.2005, Az. 1 BvR 1571/02 = GRUR 2005, 410 – Laufendes Auge).

Ziel ist es, den Urheberrechtsschutz nicht allzu weit ausdehnen zu lassen und rein praktische Allerweltserzeugnisse vom Schutz auszugrenzen.

Gestaltungshöhe heute – die kleine Münze

Die weitergehende Ausweitung auch auf andere Werkarten ist aber in Teilbereichen nicht europarechtskonform und daher zum Beispiel für Computerprogramme explizit geregelt worden, § 69a III UrhG.

Daher wird in der Rechtsprechung in der Regel auch bei Werkarten neben der angewandten Kunst und nichtliterarischen Texten keine besondere Gestaltungshöhe vorausgesetzt. Man spricht vielmehr vom Schutz der „kleinen Münze des Urheberrechts“. Der Urheberschutz wird demnach auch dann noch bejaht, wenn die persönlich geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) eine gerade so ausreichende Individualität aufweist.

Am Prinzip der Gestaltungshöhe wird damit grundsätzlich jedoch festgehalten.

Gestaltungshöhe: Auswirkungen im Fotorecht

Fotografien fallen nicht unter den Begriff der angewandten Kunst sondern sind bei bestehender Gestaltungshöhe Lichtbildwerke nach § 2 Abs.1 Nr. 5 UrhG. Von einer bestehenden Gestaltungshöhe kann dann ausgegangen werden, wenn der Fotograf sein Können nutzt um beispielsweise eine inhaltliche Aussage zu treffen. Dies kann durch eine besondere Komposition, den Lichteinfall, die Perspektive oder ähnliches geschehen. Auch die nachträgliche Bearbeitung des Bildes kann ein Lichtbildwerk begründen (OLG Koblenz GRUR 1987, 435).

Dem entgegen kann man nicht von einem Lichtbildwerk ausgehen, wenn das Bild einen „Schnappschuss“ darstellt. Einfach gesagt: wenn das Bild so gemacht wurde, wie es jeder machen würde.

Die Abgrenzung ist zumeist schwierig und selten notwendig. Denn Fotos, welche keine Lichtbildwerke darstellen, sind dennoch als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt. Für Lichtbilder gelten meist dieselben Regeln wie für Lichtbildwerke auch.

Als Ausnahme ist natürlich die Frist zu nennen. Lichtbildwerke sind für 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt, § 64 UrhG. Lichtbilder nur für 50 Jahre nach Erscheinen, § 72 Abs. 3 UrhG.

Viel wichtiger aber, warum eine Unterscheidung von Lichtbildwerk und reinem Lichtbild vorgenommen werden sollte, ist die Frage nach dem inneren Zusammenhang von der Schöpfungshöhe und dem Schutzumfang des Fotos. Ein Foto darf natürlich nicht eins zu eins übernommen werden. Bei einem Lichtbildwerk jedoch stellt sich zudem die Problematik, ob dies eventuell nachgestellt wurde. Hierbei wird die Abgrenzung von erlaubnispflichtiger Bearbeitung zur freien Benutzung interessant (näher dazu in: Die freie (Bild)Benutzung und die Grenze zur Bearbeitung).

Fazit: Schöpfungshöhe macht den Unterschied

Die Gestaltungshöhe wird nach wie vor von der Rechtsprechung als Kriterium genutzt, um einem Werk Urheberrechtsschutz an- oder abzuerkennen. Aufgrund der „kleinen Münze“ ist die Hürde  oftmals nicht sehr hoch. Jedoch muss auch diese Hürde überwunden werden, da als Schutz auch noch das Geschmacksmusterrecht besteht. So wird einem einfachen Logo kein Urheberrechtsschutz zugesprochen werden können (OLG Stuttgart, Urteil v. 24. Juli 2002 – Az. 4 U 48/02 und 4 W 13/02; BVerfG, Entscheidung v. 26.01.2005, Az. 1 BvR 1571/02).

Bei Fotografien kann einem Urlaubsschnappschuss oder ähnlichen Bildern kein Schutz als Lichtbildwerk zugesprochen werden. Dies ist aufgrund der Regelungen für Lichtbilder in § 72 UrhG auch nur begrenzt von Bedeutung.

5 Gedanken zu „Die Gestaltungshöhe im Detail und die Auswirkungen im Fotorecht“

  1. Guten Tag,
    interessanter Artikel, ich weiß nur nicht ob ich ihn richtig verstanden habe.
    Wenn ich Elemente aus einem Bild (ob Foto oder Werk) entnehme und ich es für ein eigenes Werk hernehme, also verändere und es nur ein Teil einer Komposition ist, dann ist das in Ordnung? Dann ist das erlaubt? Hab ich das richtig verstanden?

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  2. In der Fotografie gibt es eine einfache Regel: Da grundsätzlich jedes Foto – wenn nicht gar den Urheberschutz des § 2 UrhG – zumindest den Leistungsschutz des § 72 genießt, gilt dies zwangsläufig auch für jeden Ausschnitt aus einem Foto, außer vielleicht für rein monochrome Flächen (z.B. blauer Himmel), die sich keinem speziellen Foto zuordnen lassen. Da ist z. B. bei Gemälden anders. Da gibt es neben dem Urheberschutz keinen zusätzlichen Leistungsschutz wie für Fotos. Das ausschnittsweise Abfotografieren eines ungeschützten Objektes von einem Foto ist demachgefährlicher als das Abfotografieren des gleichen Objektes von einem Gemälde.

    Noch zwei Hinweise: Auch wenn es hier nicht das Thema ist, spricht auch dies m. E. dagegen, reinen Reprofotos den Leistungsschutz des § 72 zuzugestehen. Auch nicht so wichtig für die Frage von Martin aber vielleicht von allgemeinen Interesse ist, dass der BGH seit seinem Urteil „Geburtstagszug“ hinsichtlich der Anforderung an die Schöpfungshöhe kaum noch zwischen angewandter und reiner Kunst unterscheidet. Auch dazu gibt hier neuere Beiträge, auf die man vielleicht verlinken sollte.

    MfG
    Johannes
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  3. Ich fotografiere seit diesem Jahr und war auch bei Veranstaltungen ( Hafengeburtstag, … ), allerdings sind die Fotos eher künstlerisch angelegt, so dass die Menschenmasse zu erkennen sind, aber nicht die Personen im Detail. Zum Teil habe ich aber auch Fahrradfahrer fotografiert, wo die Fahrradfahrer ( Hauptmotiv ) nicht zu erkennen sind, aber evtl. Personen die im Hintergrund stehen.

    Dürfte ich solche Fotos ausstellen, online zeigen oder gar limitiert verkaufen.

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