VGH Baden-Württemberg: Erstellung von Lichtbildern eines SEK-Einsatzes; Pressefotograf; Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium

Leitsätze des Gerichts:

  1. Soweit nicht im konkreten Fall gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen, ist davon auszugehen, dass ein Pressefotograf unzulässige Lichtbilder nicht veröffentlicht (Vermutung der Rechtstreue). Ein generelles Fotografierverbot ist daher grundsätzlich gegenüber einem Pressefotografen nicht gerechtfertigt.
  2. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn es um einen Einsatz besonders gefährdeter SEK-Beamter geht und im Falle der Enttarnung der eingesetzten Beamten die Funktionsfähigkeit des SEK bedroht ist.
  3. Soweit die Gefahr bekämpft werden soll, dass die Identität von SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff Dritter auf von einem Pressefotografen gefertigte Bildaufnahmen aufgedeckt wird, kann im Einzelfall die (vorübergehende) Beschlagnahme des Speichermediums nach Anfertigung der Aufnahmen unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in die Pressefreiheit gegenüber einem Fotografierverbot das mildere Mittel sein, weil sie eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglicht.

VGH Baden-Württemberg

Beschluss

Aktenzeichen: 1 S 2266/09

Verkündet am: 19.08.2010

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 – 1 K 5415/07 – geändert.

Es wird festgestellt, dass die Untersagung von Bildaufnahmen während des SEK-Polizeieinsatzes in Schwäbisch Hall am 16.03.2007 unter Androhung einer Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium im Fall des Zuwiderhandelns rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Untersagung von Bildaufnahmen eines Polizeieinsatzes unter Androhung der Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium im Fall des Zuwiderhandelns rechtswidrig war.

Am 16.03.2007 waren Kräfte des Spezialeinsatzkommandos der Polizei des Landes Baden-Württemberg – im Folgenden: SEK – bei einem Gefangenentransport in Schwäbisch Hall eingesetzt. Das SEK hatte den Auftrag, den der gewerbsmäßigen Geldwäsche beschuldigten mutmaßlichen Sicherheitschef der russischen Gruppierung organisierter Kriminalität Ismajlovskaja – sog. russische Mafia -, der am 18.08.2006 in einem Stuttgarter Hotel verhaftet worden war und seither in der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Hall in Untersuchungshaft einsaß, bei einer Augenarztpraxis in der Schwäbisch Haller Fußgängerzone vorzuführen. Gegen 9:45 Uhr wurde der Untersuchungsgefangene mit einem zivilen Sicherheitsfahrzeug in Begleitung von zwei weiteren sondergeschützten Dienst-Kfz des SEK zu der Augenarztpraxis in der … … … verbracht. Die Einsatzfahrzeuge parkten im unmittelbaren Nahbereich vor der Arztpraxis. Zwei Beamte begleiteten den Untersuchungsgefangenen in die Praxis, der Einsatzleiter verblieb im Eingangsbereich zu dem Gebäude, um von dort aus den Personenverkehr zu kontrollieren. Zwei weitere Einsatzkräfte waren bei den Fahrzeugen. Ein Beamter war auf der gegenüberliegenden Straßenseite positioniert. Die zivil gekleideten Beamten führten ihre Mannwaffen bei sich, der Einsatzleiter zusätzlich eine Maschinenpistole. Gegen 10.30 Uhr meldeten die Innenkräfte, dass die Untersuchung in ungefähr zehn Minuten abgeschlossen sei. Kurz darauf näherten sich dem Einsatzleiter zwei bei der Klägerin beschäftigte Journalisten – ein Fotoreporter und ein Volontär -, wiesen sich als Pressevertreter aus und befragten ihn nach Grund und Details des Polizeieinsatzes. Der Einsatzleiter gab an, dass ein Gefangener der Justizvollzugsanstalt beim Arzt vorgeführt werde und verwies die Journalisten bezüglich näherer Auskünfte an die Pressestelle der Justizvollzugsanstalt oder der Polizeidirektion. Nachdem der Fotoreporter daraufhin dazu ansetzte, Bilder von den Dienstfahrzeugen und den eingesetzten Beamten anzufertigen, wurde er vom Einsatzleiter dazu aufgefordert, das Fotografieren zu unterlassen. Begründet wurde dies damit, dass die eingesetzten Beamten aus Gründen des Identitätsschutzes und um mögliche Sanktionen der Gegenseite auszuschließen nicht abgelichtet werden sollten. Als die Journalisten auf ihrem Rechercherecht beharrten, drohte der Einsatzleiter nach Darstellung der Klägerin die Beschlagnahme der Kamera und des Filmmaterials an. Nach Darstellung des Beklagten wies der Einsatzleiter lediglich darauf hin, dass bei Zuwiderhandlung eine Beschlagnahme des Filmmaterials über die Dienststelle geprüft werden könne. Darauf nahmen die Journalisten von ihrem Vorhaben Abstand, entfernten sich in Richtung Marktplatz und beobachteten das weitere Geschehen aus etwa 20 Metern Entfernung. Kurz darauf wurde der Untersuchungsgefangene von den Beamten des SEK aus der Arztpraxis geführt und zurück in die Justizvollzugsanstalt gebracht.

Am 17.03.2007 erschien ein Wortbericht über den Polizeieinsatz in der Tageszeitung der Klägerin.

Nach einem ergebnislosen Schriftwechsel mit dem Leiter des Bereitschaftspolizeipräsidiums, der darauf hingewiesen hatte, dass die Veröffentlichung von Bildern ein erhebliches Risiko der Enttarnung der SEK-Beamten nach sich gezogen hätte, hat die Klägerin am 12.10.2007 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt: Der Einsatzleiter habe die Beschlagnahme der Kamera des Fotoreporters konkret und eindringlich mit den Worten „Wenn Sie fotografieren, beschlagnahme ich die Kamera“ oder „Wenn Sie fotografieren, ist die Kamera weg“ angedroht. Die Untersagung von Bildaufnahmen unter Androhung der Beschlagnahme der Kamera und des Filmmaterials sei ein rechtswidriger Eingriff in die Pressefreiheit. Es handele sich um Verwaltungsakte, die durch Zeitablauf erledigt seien, doch bestehe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, weil es wieder zu Polizeieinsätzen kommen könne, die die öffentliche Aufmerksamkeit erregten. Wegen der Polizeifestigkeit des Presserechts könnten die Maßnahmen schon grundsätzlich nicht auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden. Zudem lägen deren Voraussetzungen nicht vor, weil die Maßnahmen weder zur Verhinderung einer Straftat noch zum Schutz privater Rechte Dritter erforderlich gewesen seien. Eine Gefahr für eine Einrichtung des Staates, namentlich für die Funktionsfähigkeit des SEK, habe nicht bestanden. Eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach den §§ 22 ff., 33 KunstUrhG der am Einsatz beteiligten Polizeibeamten wäre durch das beabsichtigte Fotografieren nicht erfolgt und sei auch nicht zu befürchten gewesen. Die Beamten wären vor einer Veröffentlichung durch Fotobearbeitung unkenntlich gemacht worden. Einer Bitte des Einsatzleiters, die Bilder strikt zu anonymisieren, wäre Folge geleistet worden. In der Bildberichterstattung liege keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Einsatz habe Aufsehen erregt und sei spektakulär verlaufen. Der Einsatzleiter habe seine Maschinenpistole nur halb verborgen unter dem Mantel getragen. Es sei nicht Sache des Beklagten zu entscheiden, was berichtenswert sei. Der Beklagte habe die Klägerin nicht an der Informationsbeschaffung und an der Recherchetätigkeit hindern dürfen. Die Beamten des SEK seien relative Personen der Zeitgeschichte i. S. von § 23 KunstUrhG. Indem die beiden Journalisten sich gegenüber dem Einsatzleiter sofort ordnungsgemäß als Pressevertreter zu erkennen gegeben hätten, hätten sie deutlich gemacht, dass sie sich ihrer journalistischen Pflichten bewusst seien. Nur wenn das Verhalten der Journalisten Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit hätte aufkommen lassen, wären polizeiliche Maßnahmen in Betracht zu ziehen gewesen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er trägt vor, der Einsatzleiter habe weder eine Beschlagnahme des Films angedroht noch eine Polizeiverfügung dergestalt erlassen, dass er ein polizeiliches Fotografierverbot angeordnet habe. Mangels Verwaltungsakts sei die erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr. Sollte vom Einsatzleiter ein Fotografierverbot ausgesprochen worden sein, wäre dieses rechtmäßig gewesen. Der Einsatzleiter sei hierfür zuständig und das Verbot materiell-rechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Nach einer Gefährdungsanalyse des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg habe jederzeit damit gerechnet werden müssen, dass während der Dauer des SEK-Einsatzes Angriffe erfolgten, etwa ein Befreiungsversuch unternommen werde. Bei der Durchführung des Auftrags habe eine erhöhte Gefahr für die in Zivil gekleideten Beamten bestanden. Es habe sichergestellt werden müssen, dass durch das Fotografieren keine Aufmerksamkeit auf den Einsatz gelenkt werde, die Beamten von ihrem Auftrag nicht abgelenkt würden und sich die Pressevertreter bei einer eventuellen Überraschungsaktion nicht im Gefahrenbereich aufhielten. Ansonsten hätte die gegenwärtige Gefahr bestanden, dass der Erfolg des Einsatzes gefährdet oder vereitelt worden wäre. Die Bitte, nicht zu fotografieren, die auch dem Schutz der Pressevertreter gedient habe, sei geeignet und verhältnismäßig gewesen. Sie sei auch zur Verhinderung einer Straftat rechtmäßig gewesen, denn die Aufnahme und Veröffentlichung von Bildern der am Einsatz beteiligten Beamten hätte gegen §§ 22 ff., 33 KunstUrhG verstoßen. Eine Einwilligung zur Herstellung und/oder öffentlichen Zurschaustellung ihrer Bildnisse sei von den eingesetzten Beamten nicht erteilt worden und ein Ausnahmetatbestand des § 23 KunstUrhG habe nicht vorgelegen. Polizeibeamte im Einsatz seien keine relativen Personen der Zeitgeschichte. Ein besonderer Informationswert für die Öffentlichkeit an den eingesetzten Beamten habe nicht bestanden. Nach der konkreten örtlichen Situation hätte es sich bei den beabsichtigten Aufnahmen lediglich um Portrait-, jedenfalls aber um Nahaufnahmen der am Einsatz beteiligten Polizeibeamten handeln können. Ein spezifisches Informationsinteresse an derartigen Aufnahmen habe nicht bestanden. Es habe sich nicht um einen spektakulären Einsatz von mehreren schwer bewaffneten Beamten gehandelt. Alle Beamten hätten Zivilkleidung getragen. Die Maschinenpistole sei verborgen mitgeführt worden. Mangels eines spektakulären Einsatzes wären auch Übersichtsaufnahmen oder ähnliche Fotografien nicht zulässig gewesen. Die Herstellung eines Bildnisses stelle eine Vorbereitungshandlung zu seiner Verbreitung dar. Das durch Pressefotografie hergestellte Bildmaterial sei nicht nur einem nichtöffentlichen Personenkreis zugänglich. Durch den Pressefotografen der Klägerin seien in der Vergangenheit mehrfach Fotografien veröffentlicht worden, auf denen Polizeibeamte ohne Einwilligung erkennbar wiedergegeben worden seien, ohne dass ein Ausnahmetatbestand nach § 23 KunstUrhG vorgelegen hätte. Die von der Presse allenfalls verwendeten Augenbalken schlössen eine Identifizierung der abgebildeten Personen nicht aus. Vollständig anonymisiertes Bildmaterial sei für die Presse auch ungeeignet. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Beamten einen speziellen Einsatz durchgeführt hätten, der durch ein besonders hohes Gefährdungspotenzial gekennzeichnet gewesen sei. Es habe die Gefahr bestanden, dass sich die kriminelle Organisation, deren mutmaßlicher Sicherheitschef der Untersuchungsgefangene gewesen sei, Bildnisse der eingesetzten Beamten beschaffe, die Beamten identifiziere und diese damit der sehr erheblichen Gefahr von Racheakten oder Erpressungsversuchen ausgesetzt seien. Im Fall der sog. russischen Mafia sei dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Die Folgen einer Identitätsaufdeckung seien unumkehrbar. Damit stünden berechtigte Interessen der am Einsatz beteiligten Polizeibeamten der Anfertigung und Zurschaustellung der Bildnisse entgegen. Die Bitte, keine Fotografien anzufertigen, sei auch zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der eingesetzten Beamten erforderlich und angemessen gewesen. Der konkrete Geschehenshergang rechtfertige das Fotografierverbot ferner zum Schutz des Untersuchungsgefangenen wie auch zufällig anwesender Dritter. Die Polizeifestigkeit des Presserechts beziehe sich auf den Inhalt eines Presseerzeugnisses. Darum gehe es hier aber nicht.

Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen des Einsatzleiters vom 29.10.2007 und vom 28.10.2008 hat dieser das Fotografierverbot ausschließlich darauf gestützt, dass die eingesetzten Beamten aus Gründen des Identitätsschutzes und um mögliche Sanktionen der Gegenseite auszuschließen, nicht abgelichtet werden sollten.

Mit Urteil vom 18.12.2008 – 1 K 5415/07 – hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei den Maßnahmen des Einsatzleiters gegen die Mitarbeiter der Klägerin um Verwaltungsakte handele oder nicht, sei die Klage zulässig. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Die getroffenen Maßnahmen seien durch die polizeiliche Generalklausel gedeckt. Der Einsatzleiter sei zum Schutz der Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit der am Einsatz beteiligten Polizeibeamten sowie des Untersuchungsgefangenen tätig geworden. Er habe in der konkreten Situation ex ante davon ausgehen dürfen, dass die konkrete Gefahr eines Anschlags auf den Untersuchungsgefangenen bestanden oder dessen gewalttätige Befreiung gedroht habe und durch die Anwesenheit der Pressevertreter im Gefahrenbereich sowie die Anfertigung von Fotografien durch diese die Durchführung solcher Aktionen begünstigt würde mit der Folge, dass die Gefahr für Leben und Gesundheit der am Einsatz beteiligten Polizeibeamten, des Untersuchungsgefangenen, der Pressevertreter und auch Schaulustiger erheblich gestiegen wäre. Weiter habe der Einsatzleiter davon ausgehen dürfen, dass bereits durch die Anfertigung von Fotografien die Funktionsfähigkeit des SEK konkret gefährdet werde. Schließlich sei der Einsatzleiter zu Recht auch zum Schutz der Rechte der mutmaßlich abgebildeten Beamten am eigenen Bild tätig geworden, denn aufgrund der konkreten Umstände hätten die Anfertigung und die Veröffentlichung von Bildern gegen §§ 22, 23, 33 KunstUrhG verstoßen. Die getroffenen polizeilichen Maßnahmen seien geeignet, erforderlich und angemessen gewesen. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Pressefreiheit habe nicht vorgelegen. Der Einwand der Polizeifestigkeit des Presserechts verfange nicht. Die Vorschriften des allgemeinen Polizeirechts würden durch die speziellen, dem Schutz der Presse dienenden Normen des Presserechts nur dann verdrängt, wenn es sich um Reaktionen wegen des Inhalts von Presseerzeugnissen handele. Ausgeschlossen seien alle präventiven ordnungsbehördlichen und polizeilichen Maßnahmen, die sich gegen den Inhalt eines Presseerzeugnisses richteten. Hier habe der Beklagte aber keinen Zugriff auf ein Presseprodukt genommen.

Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 14. Oktober 2009 – 1 S 441/09 – zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Sie könne nicht abschließend beurteilen, inwieweit die reale Gefahr eines Anschlags zu dem damaligen Zeitpunkt bestanden habe, sei es mit dem Ziel, den Untersuchungsgefangenen zu befreien, sei es mit dem Ziel, ihn sozusagen zum Schweigen zu bringen. Es sei aber nicht nachvollziehbar, dass durch das Anfertigen von Fotografien die Gefahr eines Anschlags erhöht worden wäre. Bereits die Anwesenheit des SEK habe für erhebliches Aufsehen gesorgt, insbesondere auch wegen der Bewaffnung des Einsatzleiters mit einer Maschinenpistole. Es sei unzutreffend, dass der Einsatz erst durch das Hinzutreten des Pressefotografen öffentliches Aufsehen erregt hätte. Die Gefahr einer Enttarnung der SEK-Beamten aufgrund der Anfertigung von Fotografien habe nicht bestanden. Das Verwaltungsgericht habe diese Annahme auch überhaupt nicht begründet. Es habe den Kernbereich der Pressefreiheit verkannt. Eine Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildaufnahmen sei nicht ersichtlich. § 1 Abs. 3 LPresseG verbiete Sondermaßnahmen jeder Art, welche die Pressefreiheit beeinträchtigten. Dabei reiche die Pressefreiheit von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen. Die fehlende Anwendbarkeit des Polizeirechts folge aus § 6 Satz 1 LPresseG, der vorschreibe, dass die Presse vor der Veröffentlichung der von ihr recherchierten Informationen zu eingehender nochmaliger Prüfung verpflichtet sei. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass Recherche und Veröffentlichung nicht gleichzusetzen seien, sondern dass es zu den originären Aufgaben der Presse gehöre, den Inhalt des Presseerzeugnisses vor dessen Verbreitung sorgfältig auf Herkunft und Wahrheitsgehalt sowie den Schutz überwiegender öffentlicher oder privater Interessen hin zu überprüfen. Es sei dem Beklagten im Hinblick auf die von der Presse vor einer Veröffentlichung vorzunehmende Überprüfung hinsichtlich des Schutzes überwiegender öffentlicher oder privater Interessen verwehrt, der Presse bereits die Recherche zu versagen. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht von der Anwendbarkeit der polizeilichen Generalklausel ausgehe, habe es an den tatbestandlichen Voraussetzungen für deren Anwendung gefehlt. Es habe keine polizeiliche Gefahr bestanden. Zudem seien die beiden Journalisten, die sich rechtmäßig vor Ort aufgehalten hätten, Nichtstörer. Hätte die Russenmafia den Untersuchungsgefangenen tatsächlich gewaltsam befreien wollen, wäre dies durch die Anwesenheit der beiden Pressevertreter weder erleichtert noch erschwert worden. Es gebe keinen Erfahrungssatz, der besage, dass die Anwesenheit von Pressevertretern die Gefährdung umstehender Menschen erhöhe. Ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz habe nicht gedroht. Nach § 33 KunstUrhG mache sich strafbar, wer entgegen §§ 22, 23 KunstUrhG ein Bildnis verbreite oder öffentlich zur Schau stelle. Nach § 22 KunstUrhG dürften Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. § 33 KunstUrhG sei hier jedoch bereits deswegen nicht einschlägig, weil nur die Anfertigung, nicht aber die Verbreitung befürchtet worden sei. Allein aus der Tatsache, dass der Einsatz überhaupt fotografiert werden sollte, habe nicht darauf geschlossen werden dürfen, dass die angefertigten Bilder alsbald entgegen §§ 22, 23 KunstUrhG veröffentlicht und somit eine Straftat gemäß § 33 KunstUrhG begangen werden sollte. Im Hinblick auf die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen einer unrechtmäßigen Veröffentlichung sei vielmehr grundsätzlich von der Rechtstreue eines Pressefotografen auszugehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.12.2008 – 1 K 5415/07 – zu ändern und festzustellen, dass die Untersagung von Bildaufnahmen während des SEK-Polizeieinsatzes in Schwäbisch Hall am 16.03.2007 unter Androhung einer Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium im Fall des Zuwiderhandelns rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die getroffenen Maßnahmen seien aus der maßgeblichen ex ante-Sicht zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben der Polizeibeamten, der Journalisten, etwaiger angelockter Zuschauer sowie des damaligen Untersuchungsgefangenen und ferner zum Schutze der Funktionsfähigkeit des SEK sowie zum Schutz des Rechts am eigenen Bild der eingesetzten Beamten geeignet, erforderlich und angemessen gewesen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die Untersagung von Bildaufnahmen während des SEK-Polizeieinsatzes in Schwäbisch Hall am 16.03.2007 unter Androhung einer Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium im Fall des Zuwiderhandelns rechtswidrig war. Ihre Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

Die Klägerin begehrt Rechtsschutz gegen die – erledigte – Untersagung des Fotografierens (1.) und die – gleichfalls erledigte – Androhung der Beschlagnahme (2.).

1. a) Die Klage gegen die Untersagung von Bildaufnahmen ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 – I C 49.64BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 – I C 35.70BVerwGE 49, 36; Urteile des erkennenden Senats vom 18.12.2003 – 1 S 2211/02VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 – 1 S 2362/04VBlBW 2005, 431). Bei dem Fotografierverbot hat es sich unabhängig davon, mit welchen Worten es ausgesprochen wurde, um einen Verwaltungsakt gehandelt. Auch wenn es – wie der Beklagte vorträgt – höflich als Bitte formuliert gewesen sein sollte, war es nach seinem objektiven Sinngehalt auf eine unmittelbare, für die Betroffenen verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten gerichtet, so dass der Regelungscharakter zu bejahen ist.

b) Die Klagebefugnis der Klägerin als Drittbetroffene folgt aus der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), die sich auch auf die Informationsbeschaffung, insbesondere durch eigenes Personal, erstreckt (BVerfG, Urt. v. 05.08.1966 – 1 BvR 586/62 u.a. – BVerfGE 20, 162).

c) Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 – I C 49.64BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 – 2 C 10.00NVwZ 2001, 1288).

d) Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 – 6 C 7.98BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 14.04.2005 – 1 S 2362/04 – a.a.O.). Der zwischen Erledigung und Einreichung der Klage verstrichene Zeitraum von lediglich sieben Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (vgl. Senatsurteil vom 14.04.2005 – 1 S 2362/04 – a.a.O.).

e) Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 – 6 C 7.98 – a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 – 5 C 40.84BVerwGE 74, 1). Sie kann geltend machen, dass sich die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Maßnahme typischerweise schnell erledigt, so dass angesichts der Grundrechtsbetroffenheit die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung der Klagemöglichkeit gebietet (vgl. Senatsurteil vom 25.04.2007 – 1 S 2828/06VBlBW 2008, 60 m.w.N.). Da angesichts des Vorbringens der Beteiligten ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Pressefreiheit) nicht von vornherein ausgeschlossen ist, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen.

2. a) Bezüglich der angedrohten oder jedenfalls in Aussicht gestellten Beschlagnahme ist mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, sondern die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Bloße Absichtserklärungen, Ankündigungen eines Verwaltungsakts und auch Androhungen eines Verwaltungsakts sind regelmäßig selbst mangels konkreten Regelungs- und Bindungswillens der Behörde keine Verwaltungsakte (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 35 Rn. 50 m.w.N.). An einer Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung fehlt es jedenfalls im Grundsatz immer dann, wenn die handelnde Behörde lediglich eine Maßnahme trifft, die den zukünftigen Erlass eines Verwaltungsakts in Aussicht stellen oder vorbereiten soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.07.1984 – 3 C 12.83BVerwGE 69, 374 m.w.N.). Abweichendes gilt nur, wenn – wie etwa im Vollstreckungsrecht – die Androhung im Gesetz vorgesehen und als Verwaltungsakt ausgestaltet ist.

b) Unabhängig davon, ob die Beschlagnahme angedroht oder lediglich in Aussicht gestellt wurde, liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Beklagten, in der konkreten Situation eine Beschlagnahme der Kamera einschließlich des Speichermediums zu verfügen. Die Feststellungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Die Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2004 – 4 C 11.03BVerwGE 121, 152) ist insoweit ebenfalls zu bejahen. Eine Klagefrist gilt nicht; das Klagerecht ist auch nicht verwirkt. Das Feststellungsinteresse folgt – ebenso wie hinsichtlich des Fotografierverbots – aus der Grundrechtsbetroffenheit der Klägerin.

II.

Die Klage ist auch begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Untersagung von Bildaufnahmen war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar war der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes eröffnet (1.) und die Verfügung war formell rechtmäßig (2.). Die Untersagung von Bildaufnahmen war indes zur Abwehr der ex ante vom Einsatzleiter des SEK prognostizierten Gefahren nicht gerechtfertigt (3.). Der Einsatzleiter war auch nicht berechtigt, die Beschlagnahme von Kamera und Speichermedium anzudrohen (4.).

1. Nach § 1 Abs. 2 LPresseG unterliegt die Freiheit der Presse nur den Beschränkungen, die durch das Grundgesetz unmittelbar und in seinem Rahmen durch das Landespressegesetz zugelassen sind. Sondermaßnahmen jeder Art, die die Pressefreiheit beeinträchtigen, sind verboten (§ 1 Abs. 3 LPresseG). Das Landespressegesetz ist ein presserechtliches Spezialgesetz gegenüber dem Polizeigesetz. Dies bedeutet etwa, dass Presseerzeugnisse von der Polizei nur nach den §§ 13 ff. LPresseG bzw. nach den §§ 111 m, 111 n StPO beschlagnahmt werden dürfen. Durch die sog. Polizeifestigkeit der Pressefreiheit sind Maßnahmen aufgrund der polizeilichen Generalklausel indes nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur insoweit, als es um den Inhalt von Presseerzeugnissen und die von ihm ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geht (vgl. Bullinger in Löffler, Presserecht, Kommentar, 5. Aufl., § 1 LPG Rn. 193; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 28; Belz/Mußmann, PolG für BW, 7. Aufl., § 4 Rn. 21; OVG Bbg, Beschl. v. 18.03.1997 – 4 B 4/97NJW 1997, 1387). Im Übrigen findet die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch das Polizeigesetz gehört, weil es sich nicht gegen das Grundrecht an sich, gegen ein Medienorgan oder gegen eine bestimmte Meinung richtet (Deger, a.a.O., § 4 Rn. 27 m.w.N.). Soweit die Gefahren nicht vom Inhalt der Presseerzeugnisse ausgehen, sondern z.B. von der Art und Weise der Herstellung oder des Vertriebs, ist das Polizeigesetz als allgemeines Gesetz anwendbar. Dass § 4 PolG die Pressefreiheit nicht nennt, ist unschädlich, weil das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht für allgemeine Gesetze im Sinn des Art. 5 Abs. 2 GG gilt (Deger, a.a.O., § 4 Rn. 1). Hier ist die Polizei nicht zur Abwehr von Gefahren, die von einem Presseerzeugnis der Klägerin ausgehen, sondern im Vorfeld zur Abwehr von Gefahren, die nach ihrer Prognose vom Anfertigen von Lichtbildern eines Polizeieinsatzes ausgehen, tätig geworden. Insoweit ist die Anwendbarkeit des Polizeigesetzes nicht durch etwaige speziellere Regelungen im Landespressegesetz ausgeschlossen.

2. Die Zuständigkeit des Einsatzleiters des SEK folgt aus § 60 Abs. 2 PolG, hinsichtlich der Androhung der Beschlagnahme auch aus § 60 Abs. 3 PolG. Das SEK ist gemäß Anlage 3 der Verwaltungsvorschrift über die Organisation des Polizeivollzugsdienstes des Landes Baden-Württemberg – VwV-PolOrg – dem Direktor der Bereitschaftspolizei und damit dem Bereitschaftspolizeipräsidium zugeordnet. Die Beamten des SEK gehören somit zum Polizeivollzugsdienst (vgl. § 70 Abs. 1 Nr. 3 PolG).

3. Die Untersagung von Bildaufnahmen war materiell rechtswidrig, weil sie zur Abwehr der ex ante vom Einsatzleiter prognostizierten Gefahren nicht gerechtfertigt war.

a) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.).

b) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen – gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau – im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.

c) Hier hatte der Einsatzleiter ex ante ausschließlich Gefahren im Blick, die sich bei einer Enttarnung der SEK-Beamten realisieren könnten. Dies ergibt sich eindeutig aus der von ihm gegebenen mündlichen Begründung und aus seinen Stellungnahmen vom 29.10.2007 und vom 28.10.2008. Danach ging es ihm darum, dass die eingesetzten Beamten nicht abgelichtet werden sollten, um ihre Identität zu schützen und um mögliche Sanktionen der Gegenseite auszuschließen. Er sah somit die Gefahr, dass die Identität der SEK-Beamten aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht sein könnten. Ob er nur eine – nicht anonymisierte – Veröffentlichung der gefertigten Aufnahmen durch den Fotografen selbst oder durch die Klägerin befürchtete oder ob er darüber hinaus damit rechnete, dass die Identität der SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff auf die gefertigten Bildaufnahmen aufgedeckt werden könnte und dadurch Leben und Gesundheit der Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht wären, lässt sich seinen Stellungnahmen nicht eindeutig entnehmen. Auch die vorgerichtlichen Einlassungen des Beklagten sind insoweit nicht eindeutig. Im Schreiben des Leiters des Bereitschaftspolizeipräsidiums vom 11.07.2007 an die Klägerin heißt es, die Veröffentlichung von Bildern zöge ein erhebliches Risiko der Enttarnung der SEK-Beamten nach sich. Dies berge Gefahren für künftige Einsätze wie auch unkalkulierbare Gefahren für die Beamten bis in den privaten Bereich. Der Senat geht angesichts dieses Befundes bei einer Gesamtwürdigung davon aus, dass die Gefahrenprognose sich auf alle bei einer Aufdeckung der Identität der eingesetzten Beamten drohenden Gefahren unabhängig von den Umständen der Enttarnung erstreckte und damit auch die Variante des kriminellen Zugriffs umfasste.

Demgegenüber lässt sich den Stellungnahmen des Einsatzleiters wie auch den vorgerichtlichen Einlassungen des Beklagten nicht der geringste Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass es dem Einsatzleiter zusätzlich darum gegangen sein könnte, aus der konkreten Situation vor Ort resultierende Gefahren zu bekämpfen. Es ist nicht erkennbar, dass der Einsatzleiter erwogen haben könnte, dass bereits das Hantieren des Fotoreporters mit der Kamera bei Passanten zusätzliches Aufsehen erregen und zu einer unübersichtlichen Situation hätte führen können, bei der im Fall einer etwaigen Gefangenenbefreiung konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Anwesenden hätten bestehen können. Der gegenteilige Vortrag des Beklagten entbehrt jeder Grundlage. Eine derartige Gefahrenprognose wäre auch angesichts der tatsächlichen Verhältnisse nicht vertretbar gewesen. Zwar war nach einer Gefährdungsanalyse des LKA BW ein Ausbruchsversuch oder eine Gefangenenbefreiung nicht auszuschließen. Dies war der Grund, weshalb das SEK mit der Vorführung des Untersuchungsgefangenen beim Arzt beauftragt wurde. Art und Umfang des Einsatzes belegen, dass man im Vorfeld von einer gewissen Gefährdungslage ausging. Allerdings traten die SEK-Beamten offen und in Zivil auf, waren also für jedermann erkennbar. Auch auf eine Absperrung der Straße wurde verzichtet. Der Einsatz war ohne besondere Vorkommnisse nahezu beendet und es herrschte zum fraglichen Zeitpunkt nur geringer bis mäßiger Fußgängerverkehr. Die Befürchtung, dass durch das Anfertigen von Fotos eine Ansammlung hätte entstehen können, die „ein Untertauchen in der Menge begünstigt“ (so die Stellungnahme des SEK-Kommandoführers vom 02.12.2008), ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Angesichts der objektiven Sachlage und der vorliegenden ausführlichen Stellungnahmen des Einsatzleiters sieht der Senat keine Veranlassung, zu diesem Punkt Beweis zu erheben.

d) Das Fotografierverbot konnte nicht darauf gestützt werden, dass eine rechtswidrige Veröffentlichung der gefertigten Bilder durch den Pressefotografen oder durch die Klägerin und dadurch eine Enttarnung der SEK-Beamten gedroht hätte.

Ein Fotografierverbot kann gerechtfertigt sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass derjenige, der die Lichtbilder herstellt, diese ohne Einwilligung der abgebildeten Personen (§ 22 KunstUrhG) und sonstige Rechtfertigungsgründe (§ 23 KunstUrhG) veröffentlichen und sich dadurch nach § 33 KunstUrhG strafbar machen wird. Das KunstUrhG beschränkt sich auf das Verbot der nicht durch die Einwilligung des Betroffenen gedeckten Veröffentlichung und Verbreitung des Bildnisses. Da die Presse regelmäßig erst nach Sichtung des Fotomaterials über die Art und Weise der Veröffentlichung entscheidet und in dieser Entscheidungsfindung durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich geschützt ist, kann die Anfertigung der Bildaufnahmen von Personen der Presse nicht generell von vornherein verboten werden (Steffen in Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 123).

Eine Veröffentlichung ohne Einwilligung kommt in Betracht bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG). Aus diesem Bereich stammen in erster Linie Bildnisse, in denen der Abgebildete nicht bloß als Person, sondern wegen seiner Verbindung zum Zeitgeschehen das Interesse der Öffentlichkeit findet. Zur Zeitgeschichte zählt das gesamte politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben und darüber hinaus alles, was Gegenstand der Aufmerksamkeit, Wissbegier oder Anteilnahme der Öffentlichkeit ist. Ein dauerhaftes Interesse ist nicht Voraussetzung. Auch ein nur regionales oder lokales Interesse reicht aus (Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 23 KUG Rn. 3; Kröner in HH-KO/MedienR, 34/44). Daran gemessen hat es sich bei dem SEK-Einsatz in Schwäbisch Hall um ein zeitgeschichtliches Ereignis von jedenfalls lokaler Bedeutung gehandelt.

Nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG hätte allerdings ein berechtigtes Interesse der Einsatzkräfte der Verbreitung von Bildnissen, auf denen sie identifizierbar sind, entgegengestanden. Diese Vorschrift erfordert eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen und konkreten Umstände. Grundsätzlich kann jedes individuelle persönlichkeitsrechtliche Interesse ein berechtigtes Interesse begründen. Grenzen der Abbildungsfreiheit sind insbesondere die Privat- und Intimsphäre, die Verbreitung von Bildnissen mit negativer Tendenz, die Gefährdung des Abgebildeten und die Verwendung von Bildnissen zu Werbezwecken. Ein berechtigtes Interesse im Sinn von § 23 Abs. 2 KunstUrhG kann auch die nicht ganz fernliegende Gefährdung von Leben und Gesundheit des Abgebildeten für den Fall der Verbreitung und Veröffentlichung des Bildnisses sein, etwa bei Polizeibeamten oder bei nicht enttarnten V-Leuten (Dreier, a.a.O., § 23 KUG Rn. 34). Diese Gefahr dürfte hier mit Blick auf die Gefahr von Racheakten der sog. russischen Mafia bestanden haben.

Allerdings fehlte es an einer konkreten Gefahr der Veröffentlichung und Verbreitung von Fotos, auf denen die SEK-Beamten erkennbar sind, unter Verstoß gegen § 33 KunstUrhG. Zwar muss bei einem Pressefotografen grundsätzlich damit gerechnet werden, dass dessen Aufnahmen auch veröffentlicht werden. Es darf aber nicht von vornherein und ohne weitere Anhaltspunkte zukünftiges rechtswidriges Verhalten unterstellt werden. Vielmehr muss im Hinblick auf die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen einer unrechtmäßigen Veröffentlichung grundsätzlich von der Rechtstreue des Fotografen ausgegangen werden (Senatsurteil vom 22.02.1995 – 1 S 3184/94VBlBW 1995, 282 = NVwZ-RR 1995, 527; OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 30.04.1997 – 11 A 11657/96NVwZ-RR 1998, 237; OVG NRW, Beschl. v. 30.10 2000 – 5 A 291/00 – DÖV 2001, 476; SaarlOVG, Urt. v. 11.04.2002 – 9 R 3/01 – juris; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F 752; v. Olenhusen, MR-Int 2009, 23 <24>). Droht die Gefahr der Enttarnung, obliegt es zunächst dem Einsatzleiter, dies dem Pressefotografen deutlich zu machen. Ist dies geschehen, so darf und muss er grundsätzlich darauf vertrauen, dass keine Portrait- oder Nahaufnahmen veröffentlicht und gefährdete Beamte vor einer Veröffentlichung der Bilder in geeigneter Weise unkenntlich gemacht werden. Ein bloßer Augenbalken wird dabei regelmäßig nicht genügen, um die Erkennbarkeit zuverlässig auszuschließen. Vielmehr werden grundsätzlich nur Abbildungen mit vollständig gepixeltem Gesicht in Betracht kommen. Die Vermutung der Rechtstreue greift nicht ein, wenn gegenteilige Indizien vorliegen. Anhaltspunkte für ein künftiges rechtswidriges Verhalten können etwa in einem gleichartigen Vorverhalten gesehen werden (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2000 – 1 S 2239/99VBlBW 2001, 102). Danach war hier, da die Journalisten sich durch ihre Presseausweise ausgewiesen hatten, sie kooperationsbereit waren und dem Einsatzleiter zum damaligen Zeitpunkt keine negativen Erkenntnisse vorlagen, von einem rechtstreuen Verhalten auszugehen. Die Gefahr der Veröffentlichung von Bildern ohne ausreichende Anonymisierung bestand daher aus der maßgeblichen ex ante-Sicht nicht. Es hätte ausgereicht, die Pressevertreter auf die Gefahr der Enttarnung hinzuweisen und sich zu vergewissern, dass diese sich ihrer journalistischen Pflichten bewusst sind.

e) Nichts Abweichendes ergibt sich bezüglich der Vermutung der Rechtstreue daraus, dass es um einen Einsatz besonders gefährdeter SEK-Beamter ging und der Einsatzleiter für den Fall der Veröffentlichung der Bilder auch die Funktionsfähigkeit des SEK bedroht sah. Gilt die Vermutung der Rechtstreue der Presse selbst bei Gefahren für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen, die nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG ein berechtigtes Interesse der Abgebildeten an der Nichtveröffentlichung begründen, so kann mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des SEK nichts anderes gelten. Insoweit ist ebenfalls das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit betroffen, die die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen, hier der Polizei, mit einschließt. Dass der Schaden nur für eine Teileinheit der Polizei, das SEK, droht, schließt die Bejahung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht aus, da diesem Kommando als besonderer Dienststelle auch besonders schwierige Fahndungen und Observationen obliegen, für die die Angehörigen des SEK durch eine längere und kostenintensive Spezialausbildung vorbereitet werden. Diese Spezialisten könnten im Falle ihrer nach Enttarnung ausgeschlossenen weiteren Einsetzbarkeit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens auch nicht kurzfristig durch andere Beamte zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit dieser Sondereinheit der Polizei ersetzt werden. Die Gefahren für die Funktionsfähigkeit des SEK sind indes nicht von größerem Gewicht als die Gefahren für Leben und Gesundheit der Beamten und ihrer Familienangehörigen, so dass die Abwägung mit dem Grundrecht der Pressefreiheit insoweit nicht zu einem anderen Ergebnis führen kann (im Ergebnis ebenso SaarlOVG, Urt. v. 11.04.2002 – 9 R 3/01 – juris).

f) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war ein Einschreiten des Einsatzleiters auch nicht zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der SEK-Beamten zulässig. Im Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht sind die Vorschriften der §§ 22 ff. KunstUrhG für ihren Geltungsbereich leges speciales (Steffen in Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 119; Dreier, a.a.O., Vor §§ 22 ff. KUG Rn. 3). Soweit es um die Verletzung des Rechts am eigenen Bild als besondere rechtliche Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht, scheidet ein Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht daher aus. Allerdings erfassen die §§ 22 ff. KunstUrhG nur das Veröffentlichen und Verbreiten von Bildnissen; es kann daher in Einzelfällen in Betracht kommen, dass bereits allein das Fotografieren einen spezifischen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der SEK-Beamten darstellt. Dafür ist hier indes nichts ersichtlich. Im Übrigen wäre das Subsidiaritätsprinzip des § 2 Abs. 2 PolG zu beachten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 22.02.1995 – 1 S 3184/94 – a.a.O. und vom 08.05.2008 – 1 S 2914/07VBlBW 2008, 375).

g) Soweit der Gefahr entgegengewirkt werden soll, dass die Identität der SEK-Beamten durch einen kriminellen Zugriff – etwa durch Angehörige der sog. russischen Mafia – auf die gefertigten Bildaufnahmen aufgedeckt wird und dadurch Leben und Gesundheit der SEK-Beamten und ihrer Familienangehörigen sowie die Einsatzfähigkeit des SEK bedroht werden, geht es um Szenarien, die von der Presse nicht zu kontrollieren sind, so dass zu deren Verhinderung ein präventives Einschreiten der Polizei geboten erscheint. Ohne Zweifel war das Fotografierverbot insoweit geeignet, derartigen Gefahren zu begegnen. Es war jedoch nicht erforderlich. Der bezeichneten Gefahr kann im Regelfall – ohne dass es eines Fotografierverbots bedarf – dadurch wirksam begegnet werden, dass der Pressevertreter zur vorübergehenden Herausgabe des Speichermediums bis zu einer gemeinsamen Sichtung der gefertigten Aufnahmen durch Presseunternehmen und Polizei aufgefordert wird. Eine solche Vorgehensweise wäre auch hier möglich gewesen. Zeigt sich der Pressevertreter insoweit nicht kooperationsbereit und verweigert die Herausgabe, kann hieraus auf seine Unzuverlässigkeit geschlossen werden. Sind in einer solchen Situation tatsächliche Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung der Bildaufnahmen gegeben, die den berechtigten Sicherheitsinteressen des SEK und seiner Beamten nicht gerecht wird, oder droht ein widerrechtlicher Zugriff Dritter auf die Bilder, der durch ein späteres Einschreiten nicht zuverlässig verhindert werden könnte, kommt eine vorübergehende Beschlagnahme des Speichermediums auf der Grundlage des § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Betracht. Der nicht kooperationsbereite Pressevertreter könnte insoweit als Handlungsstörer (§ 6 PolG) Adressat einer Beschlagnahmever-fügung sein. Die Beschlagnahme wäre in diesem Fall gegenüber einem Fotografierverbot mit Blick auf die Pressefreiheit das mildere Mittel, weil sie eine Recherche und im Ergebnis eine Bildberichterstattung ermöglichen würde. Die Polizei wäre im Falle einer Beschlagnahme verpflichtet, zeitnah – in der Regel noch am gleichen Tag – in Kooperation mit dem Presseunternehmen über die Speicherung, Bearbeitung, Veröffentlichung und ggf. Löschung der gefertigten Aufnahmen zu entscheiden.

4. Die Androhung bzw. Ankündigung der Beschlagnahme der Kamera samt Speichermedium waren ebenfalls rechtswidrig. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG vorgelegen haben, kann dahinstehen. Jedenfalls war die Androhung bzw. Ankündigung der Beschlagnahme wegen der Verknüpfung mit dem rechtswidrigen Fotografierverbot ermessensfehlerhaft. Die angedrohte bzw. angekündigte Beschlagnahme sollte der Durchsetzung des – rechtswidrigen – Fotografierverbots dienen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Beschluss vom 19. August 2010

Der Streitwert für beide Rechtszüge wird – unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen – nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,– EUR festgesetzt. Für beide Streitgegenstände – Fotografierverbot und Androhung der Beschlagnahme – ist jeweils der Auffangstreitwert anzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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